Gerichtsprozess: Erklärung am Landgericht 23.11.2023

Als Menschen im August 2020 öffentlich machten, dass sie in die Ludwigstraße 71 eingezogen sind, schaute eine ganze Stadt und Menschen darüber hinaus nach Leipzig. Zeitungen, viele solidarische Menschen und Politiker*innen aller Parteien sprachen öffentlich über die Luwi71. Auch wenn die Meinung zu Besetzungen, zu Verantwortung für Eigentum und zu der Bekämpfung von Gentrifizierung auseinandergingen, war es quasi Konsens, dass die Aktion die richtigen Themen anspricht. Was angemeldete Demos über Jahre nicht geschafft haben, erreicht die Nachricht von einer Besetzung: Es wird endlich über Gentrifizierung in Leipzig geredet. Auch wenn nicht allen das Mittel gefällt, sind sich alle einig, dass das wahre Verbrechen grundloser Leerstand ist, während Menschen davor auf der Straße schlafen oder in Zeltlagern untergebracht werden. Selbst der Eigentümer wollte sich die Sache erstmal anschauen, bis er ohne echten Grund von seiner Villa in Frankfurt aus entscheidet doch räumen zu lassen. Er hat schließlich die Macht sein Eigentum leer stehen zu lassen.

Wir wurden auf der Straße aufgegriffen, wurden dann auf die Polizeistation geführt, um uns da neben Fingerabdrücken auch noch DNA unter Gewaltandrohungen zu entnehmen. Und diese ganze Schickane wegen dem Verdacht auf Hausfriedensbruch. Und all die Repression nachdem alle gesagt haben, wie sinnvoll es ist auf Gentrifizierung aufmerksam zu machen und dieser Entgegen zu wirken. Das Haus scheint Udo Heng ja auch nicht mal zu interessieren. Spätestens seit dem 01.05.2020 war das Haus offen und mit Transparentenmit Aufschriften, wie “Besetzt”, “Die Häuser denen, die drin wohnen” behängt. Die Transpis wurden bis September im Jahr 2020 nicht entfernt. Nach der Räumung hat er es einfach zugemauert, um auch wirklich jede Nutzung unmöglich zu machen. Was in dem Haus möglich gewesen wäre, soll auch noch gezeigt werden. Es gab nähmlich ein fertiges Nutzungskonzept  für das Haus:

Im Erdgeschoss kann ein Café und eine Bar mit integrierter Bibliothek entstehen. Der Verkauf der Getränke basiert auf Spendenbasis. Durch den Aufbau und die Aufteilung der Räume ist es möglich, auch eine Küche für Alle (Küfa) zu organisieren, welche ein bis zwei mal die Woche stattfinden kann. Es ist ebenfalls denkbar, die Räume für öffentliche Veranstaltungen, wie Vorträge, zur Verfügung zu stellen.

Im ersten Obergeschoss sind viele Nutzungsvarianten vorstellbar. Die Ideen reichen von Projektwerkstätten über Plenarräume bis hin zu Vereinsräumen und Sportmöglichkeiten für Kinder sowie Erwachsene. Aber auch Beratungssprechzeiten und Selbsthilfegruppen können die Räume nutzen. Politische Bildung, kulturelle und sportliche Angebote finden hier Platz.

Etagen zwei und drei sind für Wohnmöglichkeiten vorgesehen. Dabei geht es auch um Notfallwohnkonzepte. Inklusive und barrierearme Wohn- und Arbeitsplätze sollen entstehen.

Auch das Flachdach lässt eine vielfältige Nutzung zu. Von Hochbeeten, einer kleinen Bar hin zu Freiflächen für künstlerische Betätigungen sind wenige Grenzen gesetzt.

Im angrenzenden Garten soll ein Gemeinschaftsgarten entstehen. Außerdem können die angrenzenden Kindergärten und Schulen den Garten auch als Schulgarten nutzen. Somit wird ein Ort des Lernens geschaffen.

Im Keller scheint es in der Vergangenheit eine kleine Holzwerkstatt gegeben zu haben, welcher neues Leben eingehaucht werden kann. Eine Selbsthilfewerkstatt kann neben der Holzwerkstatt entstehen und eine gegenseitige Ergänzung ist vorstellbar. In der Selbsthilfewerkstatt wird es einige Werkzeuge und die Möglichkeit geben, Fahrräder und andere Sachen gemeinschaftlich und mit Hilfe anderer zu reparieren. Selbsthilfewerkstätten sind für uns ein Ort der Selbstermächtigung und des gemeinsamen Lernens, zu dem Menschen unabhängig ihrer finanziellen Mittel Zugang haben. Ein austausch und eine Zusammenarbeit mit den Selbsthilfewerkstätten im Viertel ist angedacht. Aber auch Proberäume und andere musikalische Ausgestaltungen sind vorstellbar.

Sofern alle rechtlichen Angelegenheiten geklärt sind, wird sich weiter um das Haus gekümmert. Die Bausubstanz wird geprüft und auftretende Mängel beseitigt, um Sicherheit herzustellen. Dabei wird vor allem auf solidarische, ehrenamtliche Hilfe, aber, wenn es nötig ist, auch auf Fachpersonal zurückgegriffen. Die Beteiligung vieler Menschen ist wichtig. Das Haus soll ein offenes Haus sein, in dem soziale Kontakte gepflegt, neues gelernt und sich untereinander geholfen werden kann. Ein emanzipatorischer, solidarischer Ansatz für alle Menschen ist das Ziel. Das Haus soll sich als hierarchiefreier, solidarischer Raum etablieren, dessen Nutzung und Verwaltung selbstverwaltet und in freier Trägerschaft ist. Eine unkommerzielle Raumnutzung ist eingeschlossen.

Im Gegensatz zu dem Konzept steht das Haus eben wieder leer und vergammelt sprichwörtlich.

Helium besetzt, Polizei räumt, Eisenbahnstraße brennt, wie jetzt weiter?

Wir, die Menschen hinter dem Helium, möchten uns bei allen Unterstützer*innen bedanken. Ohne eure Hilfe hätten wir das Haus niemals so lange halten können. Es war so unglaublich schön zu sehen, wie viele Menschen unterstützt, sich dazu gesetzt, angemeldet, gespendet und unsere Posts geteilt haben. Auch einen großen Dank an die Menschen, die während der Räumung lautstark protestiert und danach aufgeräumt haben. 
Vielen Dank für 45 Stunden gelebtes Zentrum Helium! Nur Dank euch hat es sich kurz so angefühlt, als wäre das Helium längst unser Zuhause!
Unser Versuch ein neues soziales Zentrum zu errichten wurde nun also erstmal von der Polizei beendet. 
Statt die Verhandlungen weiter laufen zu lassen, wollten die Einsatzleiter schnellstmöglich räumen – typisch. Dabei war es ihnen auch nicht zu blöd, den Anmelderinnen der Mahnwache mehrfach dreist ins Gesicht zu lügen und während der gesamten Besetzung sinnlos Präsenz am Rande der Kundgebung zu zeigen.
Wir sind erstaunt darüber, dass nicht einmal die friedlichste aller Besetzungen bedeutend länger als zwei Tage überleben darf. Eine Besetzung eines Hauses, das nutz- und bewohnbar wäre, aber seit mindestens 2008 lediglich als Spekulationsobjekt und Taubenschlag dient.
Wieder einmal wurde unter Beweis gestellt, wie gewaltsam das Eigentum einzelner Privilegierter gegen eine unkommerzielle, vielen Menschen zugute kommende, gemeinsame Aneignung von ansonsten nutzlos verfallendem Raum durchgesetzt wird. Dafür konnten die Besetzer*innen den Cops ein Schnippchen schlagen, in dem sie noch rechtzeitig entwischten und die Cops Geister jagen ließen.
An diesem Wochenende haben wir unglaublich viel schönes erlebt. Das Zusammenkommen so vieler teils sehr verschiedener Menschen, die Solidaritätswelle von Nachbarskindern, Fußballer*innen, den Menschen vor dem Haus sowie bundesweit online ist immer etwas besonderes. Wir hatten konkrete Pläne für das Haus und haben uns auch an alle Stellen die uns bekannt waren offen gewendet und uns bis auf den Akt der Besetzung an alle Spielregeln gehalten. Dass dieser Akt notwendig wurde, liegt ja auch nicht an unserer Laune, sondern an unserer Machtlosigkeit, die negativen Entwicklungen in unserem Viertel innerhalb dieses Systems irgendwie aufzuhalten.
Die Räumung macht uns wütend. Es kommt das Gefühl auf, dass es egal ist was man tut, egal wie das eigene Anliegen angebracht wird, egal wie offensichtlich sinnvoll alle das Projekt “Helium” finden und wie nutzlos Leerstand ist- verändern tut sich nichts. 
Um mit unseren Nachbar*innen zusammen sein zu können und über die angehenden Probleme zu reden, haben wir zu einem Massencornern auf der Eisi aufgerufen. Dort wurde sich erstmal 3 Stunden lang nett ausgetauscht in einer solidarischen Atmosphäre von geteilter Empörung. Gegen 20:00 Uhr haben auch wir dann von der Soli-Besetzung der Ludwigstraße 96 gehört. Dort wurden bereits (auch von Nachbar*innen) Barrikaden errichtet, um sich auf eine weitere Räumung vorzubereiten. Das ganze ging dann in die späten Abendstunden bis alle selbstständig entschieden, dass es reicht und ohne Räumung nach Hause gingen. 
Dabei wurden noch einmal einige Dinge deutlich. Offensichtlich hat das Helium ziemlich viele Menschen berührt. Die vielen Menschen beim Cornern und die erneute Besetzung zeigen, wie sehr solch ein Ort von Nachbar*innen, unseren Genoss*innen und Gefährt*innen gewollt wird. Die schnelle Eskalation hat sicher nicht nur die Cops überrascht, ist aber, wenn man sich die ständige Überwachung, Schikanen und Lügnerei anschaut, alles andere als verwunderlich. Die Menschen waren wütend. Was angefangen hat mit der Befürchtung einer weiteren Räumung wurde ganz schnell auch aufgrund des Zustroms aus dem Viertel zu einem volksfestartigen, aufständigem “sich die Straße nehmen”. 
Wir sehen in diesem Abend, an dem natürlich auch wir uns klammheimlich über die dumm guckenden Bullen gefreut haben, keinen Knacks in unserer Verhadlungsposition. Wir nehmen die Wut mit und bleiben aber inhaltlich bei unserer Aktion: der Besetzung des Heliums 
Eins klar machen: wir wollen das Helium(!) und sind weiterhin verhandlungs- und aktionsbereit. 
Es braucht ein soziales Zentrum in der Nähe der Eisenbahnstraße! 
Wir hoffen weiterhin auf den Support der Stadträte und sind für viele Lösungen offen. 
Kultur statt Kommerz! Die Häuser denen, die sie brauchen! Es braucht ein soziales Zentrum, es braucht das “Helium”! 

Offener Brief an Stadtrat, Eigentümer und Ämter

Wir haben die Herrmann-Liebmann-Straße 108 besetzt und damit das neue soziale Zentrum “Helium” eröffnet!
Um uns herum werden alle unkommerziellen Kulturorte verdrängt und unsere Nachbarschaft wird immer mehr zu einer Konsummeile. Wo früher selbstorganisierte Läden für Kunst, Küche für Alle oder Räume für Konzerten und Veranstaltungen waren sind jetzt Einkaufsläden und teure Restaurants. 
Räume für kulturellen Austausch und selbstorganisierte Tätigkeiten sind uns aber wichtig!
Ihr hört unsere Beschwerden nicht und lasst sehenden Auges zu wie unser Viertel von einem der wenigen Alternativen in Sachsen zu einer tristen, kontrollierten Konsummeile wird auf der alle armen Menschen nichts  mehr verloren haben!
Wir wollen das Haus halten, denn unsere Priorität ist die Erschaffung eines sozialen Zentrums nahe der Eisi. 
Wir haben bereits ein Nutzungskonzept ausgearbeitet und konkrete Pläne. Das Helium deckt mit seinen über 30 Räumen und dem guten Zustand sehr viele Nutzungsmöglichkeiten (Bedarfe)  im Viertel ab und bietet somit eine Lösung vieler Problematiken.
Daher sind wir Verhandlungsbereit!
Es gibt viele Dinge, die wir uns vorstellen können und in einem Treffen mit Ihnen besprechen wollen. Daher schlagen wir ein ein Treffen (mit der Stadt, dem Eigentümer, dem Verein Recht Auf Stadt  und natürlich uns)  für Nächste Woche vor. Wenn es schon im Vorhinein  Gesprächsbedarf gibt können Sie uns jeden Tag von 12-18Uhr unter unserer Pressenummer erreichen:  0155 10439054

Nutzungskonzept Helium 108

Wir haben die Herrmann-Liebmann-Straße 108 nicht als Publicity-Stunt besetzt. Wir wollen dort stattdessen ein neues soziales Zentrum entstehen lassen – das Helium
Dafür haben wir uns schon einige Gedanken gemacht. Es sind aber sehr viele verschiedene Nutzungsmöglichkeiten vorstellbar. Generell lebt solch ein Zentrum von der aktiven Beteiligung der Nachbarschaft und der dort wirkenden Initiativen, für die dieser Ort ja im Endeffekt sein soll. 
Es gibt über 30 Räume in guter Größe und nutzbarem Zustand in unserem Haus und damit also genug Platz für alle möglichen unkommerziellen, basisdemokratischen Projekte. Zum Besispiel können wir allen bedrohten und bereits verdrängten Kulturorten auf der Eisenbahnstraße ein neues Zuhause bieten. 
Ob nun das Ery mit seinen Sport- und Veranstaltungsräume
das Trauttmanns als Barraum
das Ratzfatz als Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt
das Nur mit der wöchentlichen KüFa
die Verschenkekiste mit ihrem Umsonst- und Leihladen 
oder die Menschen die regelmäßig die Brachen 1 und 2 nutzbar gemacht haben. 
Sie alle können gerne einziehen. Die Funktionen die diese Orte in unserem kiez eingenommen haben sind absolut notwendig und können hier Platz finden. 
Weitere Ideen auf die wir selber Lust hätten wären ein Mitmach-Cafe, erschwingliche Proberäume, Räume für Hilfsangebote mit Bürokratie, Sprachbarrieren und Mietproblemen. Das Zentrum könnte helfen die sozialen Probleme des Viertels angeht: Suchtberatung, öffentliche Sanitäranlagen für FLINTA oder Autonome Therapeutische Hilfe. Selbst dann sind immer noch einige Räume frei um jungen Künstler*innen und politisch aktiven Menschen Lagerräume und Ateliere anbieten zu können.
Diese Besetzung steht in einem Kontext jahrzehntelanger Bemühungen um soziale Freiräume. Schon 2016 wurde in Leipzig ein Haus besetzt mit der erfolglosen Forderung nach einem sozialem Zentrum. Das im selben Jahr besetzte Black-Triangle in Connewitz hielt sich sogar 3 Jahre bis zur Schlussendlichen Räumung. 2020 haben wir dann die Luwi71 besetzt mit dem selben Ziel wie heute. Trotz der aktiven Teilhabe des Viertels in den 2 Wochen der Besetzung wurde das Haus sowie alle nachfolgenen der nächsten Jahre geräumt und die Besetzer*innen kriminalisiert. Diese Initiative für ein soziales Zentrum schließt in gewisserweise inhaltlich und örtlich (250 m) an die Luwi71 an. Deshalb wollen wir uns hier auch noch für das damalige Nutzungskonzept aussprechen, wie es vor Gericht verlesen wurde:
“Im Erdgeschoss kann ein Café und eine Bar mit integrierter Bibliothek entstehen. Der Verkauf der Getränke basiert auf Spendenbasis. Durch den Aufbau und die Aufteilung der Räume ist es möglich, auch eine Küche für Alle (Küfa) zu organisieren, welche ein bis zwei mal die Woche stattfinden kann. Es ist ebenfalls denkbar, die Räume für öffentliche Veranstaltungen, wie Vorträge, zur Verfügung zu stellen.
Im ersten Obergeschoss sind viele Nutzungsvarianten vorstellbar. Die Ideen reichen von Projektwerkstätten über Plenarräume bis hin zu Vereinsräumen und Sportmöglichkeiten für Kinder sowie Erwachsene. Aber auch Beratungssprechzeiten und Selbsthilfegruppen können die Räume nutzen. Politische Bildung, kulturelle und sportliche Angebote finden hier Platz.
Etagen zwei und drei sind für Wohnmöglichkeiten vorgesehen. Dabei geht es auch um Notfallwohnkonzepte. Inklusive und barrierearme Wohn- und Arbeitsplätze sollen entstehen. Auf der angrenzenden Grünfläche soll ein Gemeinschaftsgarten entstehen. Aber auch Proberäume und andere musikalische Ausgestaltungen sind vorstellbar.
Sofern alle rechtlichen Angelegenheiten geklärt sind, wird sich weiter um das Haus gekümmert. Die Bausubstanz wird geprüft und auftretende Mängel beseitigt, um Sicherheit herzustellen. Dabei wird vor allem auf solidarische, ehrenamtliche Hilfe, aber, wenn es nötig ist, auch auf Fachpersonal zurückgegriffen. Die Beteiligung vieler Menschen ist wichtig. Das Haus soll ein offenes Haus sein, in dem soziale Kontakte gepflegt, neues gelernt und sich untereinander geholfen werden kann. Ein emanzipatorischer, solidarischer Ansatz für alle Menschen ist das Ziel. Wir wollen das Haus als hierarchiefreien, solidarischen Raum, dessen Nutzung und Verwaltung selbstverwaltet und in freier Trägerschaft ist. Eine unkommerzielle Raumnutzung ist eingeschlossen.”

Wir haben ein Haus besetzt – das neue Soziale Zentrum Helium

Am 23.09.2023 haben wir die Herrmann-Liebmann-Straße 108 besetzt und damit das neue soziale Zentrum “Helium” eröffnet!
Um uns herum werden alle unkommerziellen Kulturorte verdrängt und unsere Nachbarschaft wird immer mehr zu einer Konsummeile. Wo früher selbstorganisierte Läden mit Kunst, Küche für Alle oder Konzerten waren sind jetzt Einkaufsläden oder teure Restaurants. 
Wir haben das Gefühl unser Viertel verschwindet vor unseren Augen. Niemand hört die Warnungen, die seit Jahren angebracht werden. Deshalb war es an der Zeit sich Gehör zu verschaffen!
Wir haben etwas konkretes genau mit diesem Haus vor. Das Helium deckt mit seinen über 30 Räumen und dem guten Zustand sehr viele Nutzungsmöglichkeiten und Problemstellen des Viertels ab.  Als Grundlage legen wir der Stadt bereits ein Nutzungskonzept vor, welches unter anderem die Errichtung eines Veranstaltungsraumes, eines Cafés, Beratungsstellen, Proberäume, Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt und öffentlichen Sanitären Anlagen beinhaltet.
Als politisches Projekt streben wir ein solidarisches Miteinander mit der Nachbar*innenschaft an und rufen deshalb alle Interessierten auf die Besetzung zu unterstützen, sich einzubringen und somit den Leerstand, das entstehende Zentrum, mitzugestalten. Meldet euch einfach beim Haus während der Besetzung und macht mit!
Weil wir das Haus wirklich halten wollen und unsere Priorität die Erschaffung einen sozialen Zentrum nah der Eisi ist, sind wir Verhandlungsbereit. Wir können uns viele Sachen vorstellen und schlagen ein Treffen mit Stadt, Eigentümer, Recht Auf Stadt Vereinen und uns nächste Woche vor. Wir haben das auch mit einem offenen Brief an Stadtverwaltung und Eigentümer klargemacht.
Kommt vor das Haus und verteidigt das neue Soziale Zentrum!
Wenn es Presseanfragen oder sonstigen Gesprächsbedarf gibt könnt ihr uns jeden Tag auf social media (@leipzigbesetzen, @helium_108), per mail (leipzihbesetzen@riseup.net) oder von 12-18 auf unserem Pressehandy erreichen:  0155 10439054

Prozessbericht zum zweiten Prozesstag am 21.11.22

Zweiter Prozesstag

21.11.22, Amtsgericht Leipzig

I Allgemeines

Am 21.11.22 fand der zweite und letzte Verhandlungstag im Prozess gegen die Betroffenen statt. Wie zuvor, gab es einige solidarische Menschen, die ihre Unterstützung im Gerichtssaal kundtaten. Auch diesmal mussten alle ihre Personalausweise abgeben, damit von ihnen Kopien angefertigt werden konnten. Zusätzlich zum Abscannen des Körpers mit einem Metalldetektor, wurden nun auch die Taschen durch einen Beamten durchsucht.

II Zeug:innen

1. Silvio H.

Als erstes wurde Silvio H. geladen. Udo Heng (Hauseigentümer) hatte ihn in der letzten Verhandlung als denjenigen benannt, der mit der Betreuung des Hauses in der Ludwigstraße 71 beauftragt gewesen wäre.

Silvio H. gab an, dass er das Haus im Zeitraum Juni 2020 bis September 2020 betreut hätte. Nach der Räumung hätte er das Haus zugemauert. Er habe vorher nichts mit dem Haus zu tun gehabt. Im Jahr 2022 habe er noch einmal mit einer Hebebühne außen nicht festsitzenden Putz abgeklopft. Zur Stabilität des Hauses konnte er nichts sagen.

Er wüsste auch nicht, wer vor ihm mit der Betreuung des Hauses beauftragt gewesen wäre.

Erklärung und Antrag der Verteidigung

Es folgte eine Erklärung der Verteidigung. Silvio H. sei nur im Zeug:innenstand, da Udo Heng, ihn explizit als denjenigen nannte, der sich um das Haus vor der Besetzung kümmerte. Dies stimmte offensichtlich nicht. Heng hätte nicht nur in diesem Punkt nicht die Wahrheit gesagt, sondern auch bzgl. der sozialen Erhaltungssatzung, die nach seinen Aussagen eine energetische Sanierung (Photovoltaik) verbieten würde. Dies ist nicht der Fall. Außerdem wurde ein solcher Antrag an die Stadtverwaltung nie gestellt. Die Verteidigung stellt den Antrag einen Zeugen der Stadtverwaltung zu laden.

Es wurde noch hinzugefügt, dass die Aussagen von Silvio H. bestätigen, dass Heng kein Interesse an dem Haus zeigte.

Die Staatsanwaltschaft, vertreten durch Herrn Herre, argumentierte, dass es für den Tatbestand nicht relevant sei, einen Zeugen der Stadtverwaltung zu laden.

Die Verteidigung erwiderte, dass die Glaubwürdigkeit von Udo Heng geprüft werden müsse. Der Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, dass die Verteidung in der Einschätzung zu Udo Heng‘s Glaubwürdigkeit Recht hat.

2. Herr Wittek (POM)

Herr Wittek war als Polizeibeamte mit an der Räumung beteiligt. Er gab an, sich kaum noch zu erinnern. Es wäre für die Öffnung der Tür eine Kreissäge gebraucht worden. Er sei mit Kollegen ins Haus gegangen aber habe niemanden angetroffen. Er war im gesamten Haus und erinnere sich nicht daran, dass der Hauseigentümer sie vor dem baulichen Zustand des Hauses gewarnt hätte. Er habe Stimmen im Nachbarhaus gehört, sei zum Fenster gegangen und habe eine Person mit Irokesenhaarschnitt über den Zaun des Nachbargrundstücks klettern und durch einen anderen Hauseingang Richtung Straße verschwinden sehen. Er habe dies per Funk weitergegeben.

Er erinnere sich nicht mehr, ob er die Personen, die schließlich festgestellt wurden, nochmal gesehen hätte.

Er erinnere sich auch nicht mehr, ob er einen Bericht geschrieben hätte.

Auf Nachfrage gab er an, an mehreren Räumungen beteiligt gewesen zu sein.

Erklärung Verteidigung

Die Verteidigung erklärte nach der Anhörung von Wittek, dass die Aussage des Zeugen Hengs Aussagen widersprechen würde. Dieser hätte angegeben, dass er die Polizei vor dem baulichen Zustand gewarnt hätte.

3. Adrian Bäßler

Als dritter wurde der Polizeibeamte Adrian Bäßler angehört. Er ist Teil der Beweis – und Festnahmeeinheit in Chemnitz.

Am Tag der Räumung habe er vor dem Hauseingang der Ludwigstr. 65 die Betroffenen festgestellt. Er erinnerte sich nicht mehr, ob die Personen auch aus dem Hauseingang gekommen waren. Über Funk sei ihm mitgeteilt worden, dass Menschen aus dem Hinterhof in die Ludwigstraße 65 gegangen seien. Er habe die Identitätsfeststellung durchgeführt. Die Betroffenen hätten nicht viel gesagt, außer dass sie bei einem Bekannten geschlafen hätten und wären nach der Identitätsfeststellung an andere Polizeibeamte übergeben worden.

Er erinnerte sich, außer an dreckige Kleidung, nicht mehr ans Aussehen der Betroffenen.

Er erinnerte sich an Transparente am Haus, sonst aber an kein Material, dass politische Botschaften verkündet hätte.

III Beweisanträge der Verteidigung

Die Verteidigung stellte zwei Beweisanträge.

Zuerst wurde ein Artikel der Internetzeitschrift „Immobilien Aktuell“ verlesen. Nach dem Artikel hätte der Hausbesitzer am 26.08.20 noch die Bereitschaft gehabt, mit den Besetzer:innen zu reden, wodurch die Besetzer:innen davon hätten ausgehen müssen, dass eine Einigung noch möglich gewesen wäre.

Nach einer Entscheidung des Amtsgericht Tiergarten in Berlin, würde es sich deshalb bis mindestens zum 26.08.20 nicht um Hausfriedensbruch handeln, da dieser nur bestehe, wenn Menschen sich gegen den Willen der:s Besitzers:in in einem Haus befinden würden.

Anschließend wurde die Bestätigung einer Flixbus-Reise am 23.08.20 nach Berlin vorgelegt. Demnach hätte einer der Betroffenen ab dem 23.08.20 nicht in der Ludwigstr. 71 sein können.

IV Letzte Statements von Staatsanwaltschaft und Verteidigung

Nachdem die persönlichen Umstände bzgl. Vermögen, Einkommen und beruflicher Zukunftsperspektiven erfragt wurden, hielten die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung ihre letzten Erklärungen.

Die Staatsanwaltschaft vertrat die Meinung, dass es sich klar um Hausfriedensbruch handele. Die Betroffenen seien im Haus gewesen, auch wenn eine Person evtl. während einer kurzen Zeit in Berlin hätte gewesen sein können. Dass die Betroffenen im unmittelbaren Umfeld und Zeit aufgegriffen worden seien, einer Person einen Irokesenhaarschnitt trug, sowie die DNA-Spuren im Haus (von einer Person an Zahnbürste und Trinkflaschen, von der anderen Person an Perücken, Handschuhe, Schlafsack und weiteren Gegenständen); sprächen gegen die Betroffenen.

Das Gebäude wäre nicht verschlossen gewesen und der entgegengesetzte Wille des Hausbesitzers sei klar gewesen, auch durch die Strafanträge, die schließlich gestellt wurden. Zu Gunsten der Betroffenen führte Herr Herre an, dass diese nicht vorbestraft seien und das Haus nicht saniert wurde. Zu Lasten wurde aufgeführt, dass es ein großes Polizeiaufgebot und Spezialwerkzeug für die Öffnung der verbarrikadierten Tür gebraucht hätte. Die Staatsanwaltschaft forderte für beide betroffene Personen jeweils 50 Tagessätze à 14€. Zudem das Tragen der Kosten des Verfahrens.

Daraufhin sprach die Verteidigung. Beim Betreten des Hauses durch die Polizei, wurden die Betroffenen nicht angetroffen. Es ist unklar, ob die Betroffenen überhaupt im Haus waren.

Vor dem Haus gab es eine Kundgebung über mehrere Tage, es hingen Transparente am Haus und über die Briefe an die Nachbar:innenschaft wurde deutlich, warum das Haus besetzt wurde. Die Verteidigung argumentierte, dass die Grundrechte schwerer wiegen würden als Udo Hengs Eigentum. Den Besetzer:innen könne, wenn überhaupt, nur eine sehr geringe Schuld zugewiesen werden. Es wäre ein Bagatelldelikt und das Verfahren hätte sofort wieder eingestellt werden müssen, denn Tatbestände müssen verfassungsgemäß verhandelt werden. Dies sei auch in dem Verfahren zur Tiefe Str.- Besetzung in Leipzig passiert.

Stattdessen wurde ein riesiger Aufwand betrieben, es wären z.B. über 80 DNA-Spuren untersucht worden. Wie die DNA der Betroffenen ins Haus gelangt ist, sei unklar.

Heng hat sich nicht um sein Eigentum gekümmert. Er hätte es verfallen lassen und ein Haus, dass als Wohnhaus gebaut worden ist, nun zumauern lassen und damit unbrauchbar gemacht. Es stelle nun eine Gefahr dar. Auch die soziale Erhaltungssatzung in dem Eisenbahnstraßen-Viertel sei Heng egal. Gegen solch ein Verhalten zu demonstrieren wäre das gute Recht der Besetzenden.

Es sei außerdem fragwürdig, ob es sich überhaupt um ein befriedetes Besitzgut handele. Dafür hätte es mit einer zusammenhängenden Schutzvorrichtung verschlossen sein müssen. Dies sei nicht nachgewiesen. Wenn ein Haus nicht abgeschlossen ist, dürfe es betreten werden.

Selbst wenn es sich um Hausfriedensbruch handeln würde, wäre es ein legitimes Mittel gewesen, um gegen das Verhalten von Udo Heng zu demonstrieren. Es bestehe kein strafwürdiges Verhalten.

In Österreich bestehe ein Hausfriedensbruch nur, wenn es sich um eine Wohnstätte handele. In der Schweiz dürfe eine Räumung nur durchgeführt werden, wenn der:die Eigentümer:in sofort mit baulichen Maßnahmen beginnen würde. Auch in Deutschland in den 80iger Jahren wurde anders mit Besetzenden umgegangen. Es hätte entweder keine Anklage gegeben, es hätte zu einer Einstellung geführt oder aber zu einer Strafe am unteren Rand des Strafmaßes.

Die Verteidigung plädierte für einen Freispruch. Der Versuch der Nutzbarmachung eines Gebäudes sollte nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Das letzte Wort vor dem Urteil hatten die Betroffenen. Sie lasen ein Statement vor, das ihr hier (https://leipzigbesetzen.noblogs.org/post/2022/11/21/letztes-wort-am-zweiten-verhandlungstag-21-11-2022/) nachlesen könnt.

Die Unterstützenden im Saal applaudierten, pfiffen und klatschten.

V Urteil

Die Betroffenen wurden schuldig gesprochen. Sie wurden zu je 30 Tagessätzen à 14€ verurteilt plus Prozesskosten.

Das Urteil wurde mit dem Demospruch „Miete verweigern, Kündigung ins Klo – Häuser besetzen sowie so“ von den Unterstützenden im Saal beantwortet.

Der Richter begründete das Urteil damit, dass das Haus ein befriedetes Eigentum gewesen sei. Es sei verschlossen gewesen. Zu Gunsten der Betroffenen wurde angeführt, dass die Besetzung zwei Jahre her sei. Das Interesse durch den Eigentümer sei sehr gering gewesen. Das Recht der Betroffenen gegen das Verhalten Hengs zu demonstrieren hätten, die Betroffenen auch vor dem haus wahrnehmen können. Die Besetzenden haben das Haus mehr instand gesetzt als beschädigt. Außerdem seien sie nicht vorbestraft.

Sie seien deutlich kürzer im Haus gewesen, als die Anklage es aussagt. Zu Lasten wurde ihnen gelegt, dass sie das Haus verbarrikadiert hätten.

Nach einiger Beratung mit den Anwält*innen gehen die Betroffenen in Berufung.

Letztes Wort am zweiten Verhandlungstag 21.11.2022

In unserem letzten Wort möchten wir auf die Absurdität des Ganzen Theaters hinweisen. Wir verhandeln, mittlerweile schon den zweiten Verhandlungstag, Hausfriedensbruch! Wir finden es absurd, dass wir alle hier sitzen und uns über Eigentum unterhalten müssen, wenn es gleichzeitig viel dringendere Themen zu verhandeln gibt. Würden wir ein Bruchteil der Zeit hier in andere sinnvollere Sachen stecken, wäre uns allen mehr geholfen. Aber nun sitzen wir einmal hier…

Meiner Meinung nach, hat Herr Heng mit diesem Haus nichts mehr vorgehabt. Er hätte, hat und wird es verfallen lassen. Wo ist der Sinn darin? Es gab einen konkreten Plan für das Haus.

Das Grundstück steht nun bereits seit über einem Jahrzehnt leer und wird nicht genutzt. Daher ist es für eine kulturelle und soziale Nutzung optimal geeignet. Das Haus besteht aus drei Etagen und ist unterkellert. Die oberen Etagen sind mit je zwei Wohnungen mit mehreren Zimmern ausgestattet. Zum Haus gehört ein Garten. Den Räumlichkeiten werden unterschiedliche Nutzungen zugeführt.
Am 23.08.2020 fand eine Vollversammlung mit den Anwohner*innen und Interessierten der Besetzung statt. Aus den Wünschen und Bedürfnissen so wie der aktuellen Einschätzung des Zustandes des Hauses selbst nun ein überarbeitetes Konzept:

Im Erdgeschoss kann ein Café und eine Bar mit integrierter Bibliothek entstehen. Der Verkauf der Getränke basiert auf Spendenbasis. Durch den Aufbau und die Aufteilung der Räume ist es möglich, auch eine Küche für Alle (Küfa) zu organisieren, welche ein bis zwei mal die Woche stattfinden kann. Es ist ebenfalls denkbar, die Räume für öffentliche Veranstaltungen, wie Vorträge, zur Verfügung zu stellen.

Im ersten Obergeschoss sind viele Nutzungsvarianten vorstellbar. Die Ideen reichen von Projektwerkstätten über Plenarräume bis hin zu Vereinsräumen und Sportmöglichkeiten für Kinder sowie Erwachsene. Aber auch Beratungssprechzeiten und Selbsthilfegruppen können die Räume nutzen. Politische Bildung, kulturelle und sportliche Angebote finden hier Platz.

Etagen zwei und drei sind für Wohnmöglichkeiten vorgesehen. Dabei geht es auch um Notfallwohnkonzepte. Inklusive und barrierearme Wohn- und Arbeitsplätze sollen entstehen.

Auch das Flachdach lässt eine vielfältige Nutzung zu. Von Hochbeeten, einer kleinen Bar hin zu Freiflächen für künstlerische Betätigungen sind wenige Grenzen gesetzt.

Im angrenzenden Garten soll ein Gemeinschaftsgarten entstehen. Außerdem können die angrenzenden Kindergärten und Schulen den Garten auch als Schulgarten nutzen.Somit wird ein Ort des Lernens geschaffen.

Im Keller scheint es in der Vergangenheit eine kleine Holzwerkstatt gegeben zu haben, welcher neues Leben eingehaucht werden kann. Eine Selbsthilfewerkstatt kann neben der Holzwerkstatt entstehen und eine gegenseitige Ergänzung ist vorstellbar. In der Selbsthilfewerkstatt wird es einige Werkzeuge und die Möglichkeit geben, Fahrräder und andere Sachen gemeinschaftlich und mit Hilfe anderer zu reparieren. Selbsthilfewerkstätten sind für uns ein Ort der Selbstermächtigung und des gemeinsamen Lernens, zu dem Menschen unabhängig ihrer finanziellen Mittel Zugang haben. Aber auch Proberäume und andere musikalische Ausgestaltung ist vorstellbar.

Wir wollen das Haus als hierarchiefreien, solidarischen Raum, dessen Nutzung und Verwaltung selbstverwaltet und in freier Trägerschaft ist. Eine unkommerzielle Raumnutzung ist eingeschlossen.

Sofern alle rechtlichen Angelegenheiten geklärt sind, wird sich um das Haus gekümmernt. Die Bausubstanz wird geprüft und auftretende Mängel beseitigt, um Sicherheit herzustellen. Dabei wird vor allem auf solidarische, ehrenamtliche Hilfe, werden aber, wenn es nötig ist, auch auf Fachpersonal zurückgegriffen. Die Beteiligung vieler Menschen ist wichtig. Das Haus soll ein offenes Haus sein, in dem soziale Kontakte gepflegt, neues gelernt und sich untereinander geholfen werden kann. Ein emanzipatorischer, solidarischer Ansatz für alle Menschen ist das Ziel. Das Haus stellt einen Freiraum dar, welcher dringend gebraucht wird.

Egal was als Urteil rauskommt, auch bei einem Freispruch, der schlimmere Teil der Strafe ist schon passiert und wird wahrscheinlich auch nicht mehr weg gehen. Der Staat mit seinen Staatsanwält*innen und Sicherheitsbehörden hat erneut seine Aufgabe in der Unterdrückung unserer aller Leben ausgeführt. Indem das Eigentumsrecht entgegen jeglicher moralischer oder demokratischer Logik gewaltvoll durchgesetzt wurde, senden sie ein Signal an alle Menschen, die versuchen ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich die Dreistigkeit rausnehmen, sich nicht der kapitalistischen Maschinerie zu unterwerfen.

Wenn du es wagst leeren Wohnraum wiederzubeleben, wirst du bestraft. Die Staatsmacht kommt zu dir nach Hause, erzwingt die Entnahme deiner DNA und konstruiert damit neue Repression. Sie fotografiert dich von allen Seiten, registriert deine Fingerabdrücke, Größe, Gewicht, Haarfarbe, Muttermale, Tattoos und bringt deine Daten in ihre Verbrecher*innenkartei ein, um sie jederzeit verfügbar zu haben. Wohnst du zufällig in Connewitz, trifft es zusätzlich noch dein Umfeld, auch Leute die du gar nicht kennst. Solltest du nochmal reisen wird das BKA dir dabei ganz offen hinterherschnüffeln. Du bist jetzt offiziell Straftäter*in linx und das obwohl du noch nie für irgendeine Straftat verurteilt wurdest.

Soviel zum demokratischen Rechtsstaat. Es braucht in Leipzig, in Sachsen, in Deutschland, ja, auf der ganzen Welt, nicht viel, um als Staatsfeind*in behandelt zu werden. Sie versuchen uns von jeglichem Engagement für eine andere freiere Welt abzubringen, wenn nicht durch ökonomische Zwänge, dann mit Gewalt und Repression.

Doch besonders der Fall der Luwi71 zeigt, dass wir uns wehren können. Die Solidarität während und nach der Besetzung hat unglaublich viel Kraft gegeben. Wir werden die Tage vor und nach der Räumung nie vergessen, jede mögliche Strafe kann uns das Erleben kurzer Momente von Freiheit nicht kaputt machen.

Vorallem aber sollten wir sie das niemals vergessen lassen. Wir müssen uns nicht alles gefallen lassen!

Ob Eigentümer*innen, Cops oder Gericht, unsere Solidarität gegen ihre Repression!

Prozessbericht vom 08.11.2022

Erster Verhandlungstag

I Allgemeines

Am 08.11.22 fand der erste Verhandlungstag des Prozesses zur Besetzung der Ludwigstr. 71 in Leipzig vom 28.08.21 bis 02.09.21 statt. Betroffen sind zwei Genoss*innen, denen Hausfriedensbruch nach §123 StPo vorgeworfen wird.

Die Verhandlung sollte um 14.00 Uhr im Saal 252 des Amtsgericht in der Bernhard-Göring-Str. beginnen. Zur selben Zeit begann eine Solidaritätskundgebung vorm Gericht. Es waren ca. 70 Unterstützende da.

Da auch viele mit im Gericht waren, wurde der Saal kurzfristig gewechselt.

Um den Prozess zu beobachten und die Betroffenen zu unterstützen, mussten alle Personen ihre Personalausweise abgeben, damit diese kopiert werden konnten, und alle Handys abgegeben werden. Zusätzlich wurde jede Person mit einem Metalldetektor abgescannt.

Mit etwas Verspätung wurde die Verhandlung 14.20 Uhr vom zuständigen Richter Müller eröffnet. Die Staatsanwaltschaft wurde von Herrn Herre vertreten. Die Genoss:innen werden von ihren Anwält:innen verteidigt.

Nach der Überprüfung der persönlichen Daten der Betroffenen und der Verlesung der Anklage, bekamen die Betroffenen das Wort. Sie gaben eine Erklärung zum Vorfall ab. Diese war ein kämpferisches Statement für Hausbesetzungen und gegen die Gentrifizierung, welches vollständig vorgetragen und im Anschluss von einem langanhaltenden Applaus durch die Unterstützenden im Saal beantwortet wurde.

Das ganze Statement könnt ihr hier https://leipzigbesetzen.noblogs.org/post/2022/11/16/statement-im-gericht-08-11-22/ nachlesen.

IV Zeug:innen

1. Hauseigentümer Udo Heng

Als erster Zeuge wurde Udo Heng, der Hauseigentümer der Ludwigstr. 71, vernommen. Er gab an, dass ihm das Haus seit ungefähr 2016/2017 als alleiniger Besitzer gehöre. Er habe den Plan gehabt, es auszubauen, was durch die eigene Lebensplanänderung und die Coronazeit jedoch nicht stattgefunden hätte. Die Bauplanung endete vor drei bis vier Jahren. Konkrete Pläne zur Nutzung des Hauses gäbe es aktuell nicht. Wohnraum würde er dort nicht schaffen wollen, da die Wohnungen 50m² betrügen und „ so niemand leben wollen würde“. Er habe sich nicht für das Konzept des Wächterhauses entschieden, da der Bauzustand dies, seiner Meinung nach, nicht zuließe. Das Bauamt Leipzig hätte dazu keine Einschätzung getroffen. Er führte außerdem an, dass der Ausbau durch die Besetzung nun unattraktiver sei.

Er bestätigte, dass Menschen eventuell vor der Besetzung das Haus nutzten, bspw. als Obdach oder Nutzungsplatz für Drogenkonsum, sah aber keinen Anlass dafür, das seiner Angaben nach einsturzgefährdete Haus zu sperren.

Er hätte der Polizei zu ihrem Schutz vor ihrem Räumungseinsatz berichtet, dass sich das Haus in einem gefährlichen Zustand befinde.

Er behauptete, dass der Hinter – und Vordereingang durch einen Riegel und Vorhängeschloss nicht ohne Aufwand zu betreten gewesen wäre. Er selbst wäre ein paar Wochen vor der Besetzung das letzte Mal Vorort gewesen. Als ihm Fotos des Hauses von innen vorgehalten wurden, erkannte er das Haus, jedoch erinnerte er sich an einen anderen Zustand, der auf den Fotos zu sehen war.

Von der Besetzung hätte er durch einen Anruf der Polizei erfahren. Nachdem er selbst zwei Tage später an dem Haus vorbeifuhr, hätte er sich entschlossen härter vorzugehen. Dies begründete er vor Gericht damit, dass das Gebäude eine Gefahr für die Besetzenden darstellen würde.

Wo er die Strafanzeige tätigte oder warum es zwei Strafanträge waren, wusste er nicht mehr.

Für ihn stellte die Besetzung eine Bedrohungslage dar. Auf Nachfrage bestätigte er, dass es um eine Bedrohungslage seines Eigentums ginge.

Es habe den Versuch einer Kontaktaufnahme durch die Besetzenden gegeben, den er jedoch nicht annahm, weil er sich „nicht erpressen lassen“ würde. Nach einem Vorhalt eines LVZ-Artikels, gab er an, dass es doch anfangs die Überlegungen zu Gesprächen gegeben hätte. Er hätte ein „unsägliches Schreiben“ erhalten, von dem er jedoch nicht genau wüsste, ob es von den Besetzenden direkt kam. Dies enthielte Worthülsen, welche Menschen in gut und böse eingeteilt hätten. Auf Nachfrage bestätigte er, dass er sich unter „böse“ kategorisiert sah. Im Weiteren legte er offen, dass ihm insgesamt drei Immobilien gehörten. Ein Wohnhaus in Frankfurt am Main, die Ludwigstr. 71 und die Ludwigstr. 69 in Leipzig.

Nach der Räumung, wäre er nicht noch einmal ins Haus gegangen, sondern hätte es sofort zumauern lassen. Er beschrieb sich der BILD Zeitung gegenüber als „der Leidtragende der ganzen Sauerei“. Er erläuterte, dass er damit die Kosten für u.a. das Zumauern meinte.

Auf die Frage der aktuellen Sicherheitsmaßnahmen der Immobilien, wollte er sich aufgrund der „Bedrohungslage“ nicht äußern. Daraufhin mussten einige Unterstützer:innen lachen.

Die Nachfrage nach einer damaligen Person, die das Haus betreute, wurde nach einiger Diskussion damit beantwortet, dass er die Daten eines Handwerkers unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorne beim Richter aufschrieb. Diese Person wird im Laufe der/s nächsten Verhandlungstage/n eventuell als Zeuge geladen.

2. Zeuge Martin Schulz

Als nächstes wurde der Polizist Martin Schulz geladen. Er war als Teil der Beweis – und Festnahmeeinheit an der Räumung beteiligt.

Schulz räumte ein, dass er sich an fast nichts erinnere und verwies bei fast allen Fragen auf den Bericht, den er damals geschrieben hatte.

Um die verbarrikadierte Haustür aufzubrechen, benötigte die Polizei technische Geräte. Er erinnere sich nicht mehr, mit wem er in der Einheit Vorort war. Sie trafen im Gebäude keine Person an. Schulz sagte aus, er habe durch das Fenster im 2. Stock zwei Personen über den Hinterhof weggehen sehen. Er erinnerte sich nicht an das Aussehen der Personen und hatte auch nach der Sichtung nicht gesehen, was passiert wäre. Über Funk hätte er dann mitgeteilt bekommen, dass zwei Personen gestellt worden wären.

Dies steht auch im Bericht. Auf Nachfrage, warum dies im Bericht steht, obwohl er selbst nicht dabei gewesen ist, sagte er aus, dass er über die Informationsweitergabe mit Kollegen, das Wissen erlangt und es deshalb in den Bericht geschrieben hätte.

Er berichtete, dass das Haus nicht bewohnbar gewesen wäre, aufgrund des Mülls und der Barrikaden. Zum baulichen Zustand wollte er sich nicht äußern. Bezüglich einer Warnung des Hauseigentümers zum baulichen Zustand erinnerte er sich nicht mehr und verwies auf die standardmäßige Eigensicherung von Polizeibeamt:innen bei betreten eines Hauses.

3. Zeuge Toni Stoll

Der dritte Zeuge war ebenfalls Polizist und Teil der Beweis – und Festnahmeeinheit. Er berichtete, dass die Einheit um 6.00 Uhr morgens Vorort gewesen wäre und die Durchsuchung im Haus angefangen hätten. Er selbst blieb draußen und bekam über Funk mitgeteilt, dass zwei Personen das Gebäude verlassen. Er erinnerte sich nicht mehr daran, wer ihn angefunkt hätte. Die Personen konnte er nur vage beschreiben. Eine Person, die er als männlich eingeordnet hatte, hätte einen Irokesenhaarschnitt gehabt. Zur zweiten Person (die der Richter als weiblich eingeordnet hatte) konnte er nichts sagen. Eventuell war die Kleidung der beiden Personen verschmutzt gewesen. Die Personen seien über den Zaun im Hinterhof der Nr. 67 geklettert und dann durch die Haustür der Nr. 67 auf Polizeibeamt:innen aus Chemnitz gestoßen. Die Personen seien festgestellt worden und an ihn zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung übergeben worden. Dies wurde ihm per Funk mitgeteilt. Er selbst hat es nicht gesehen. Er habe die ID – Behandlung und Durchsuchung durchgeführt, da ihm von seinen Kollegen mitgeteilt wurde, dass die Personen Tatverdächtige seien. Der Polizeibeamte Wittek hätte die beiden Personen aus dem Fenster beobachtet und Herrn Stoll gegenüber bestätigt, das es sich um die Verdächtigen handeln würde.

Was bei der Identitätsfeststellung festgestellt wurde, wusste er nicht mehr und verwies auf seinen Bericht. Als er mit der ID-Behandlung fertig war, übergab er die zwei Personen an den Transportwagen, der sie zur erkennungsdienstlichen Behandlung auf die Polizeistation in der Dimitroffstraße bringen sollte.

Er erinnerte sich an keine weiteren ID – Behandlungen zu diesem Vorfall.

V Versuch auf Einstellung

Die verteidigenden Anwälte versuchten daraufhin die Verhandlung frühzeitig und ohne Urteil zu einem Ende zu bringen, jedoch ließ sich der Staatsanwalt Herre darauf nicht ein. Auf die Nachfrage, warum er dies nicht wolle, nannte er keine Gründe und meinte, dass er sich nicht rechtfertigen müsse.

Der Richter Müller verwies auf zwei Zeugen, die aus Krankheitsgründen nicht erschienen waren und sprach die DNA – Spuren an, die im Haus gefunden worden waren. Die Verteidigung wies daraufhin, dass DNA – Spuren über Gegenstände wie Essensvorräte und Zettel in das Haus hätten gelangen können.

4. Zeugin Luise M.

Die Verhandlung wurde mit der Vernehmung von einer ehemaligen Anwohnerin aus dem Haus Nr. 67 fortgesetzt.

Sie beschrieb, dass morgens um 6.00 Uhr Kettensägen Lärm machten und viel Polizei auf der Straße stand. Dann hat sie mit ihren Kindern gefrühstückt.

Durch ein Fenster hat sie zwei Personen über die Mauer im Hinterhof klettern sehen. Auf dem Grundstück der Nr. 71 hat sie keine Person gesehen. Die Personen konnte sie, abgesehen davon, dass sie Mützen getragen hätten, nicht beschreiben.

2014 hätte ein Gerüst an der Nr. 69 gestanden und es hätte geheißen, dass jemand das Haus gekauft hätte und es nun ausbauen wollte. Das Gerüst hätte noch lange dort gestanden aber es wäre nichts mehr passiert. In das Haus Nr. 69 und 71 wäre es kein Problem gewesen über den Hinterhof nachts unbemerkt in die Häuser zu kommen, weswegen sie nicht ausschließen würde, dass dort Leute über die Jahre in den Häusern gewesen sein könnten.

Die Besetzung hätte sie erst nicht mitbekommen, weil sie im Urlaub gewesen wäre. Später waren viele Menschen auf der Straße, was sie aber nicht gestört hätte. Sie hat sich nicht mit den Leuten unterhalten. Sie erinnerte sich daran, dass die Besetzung Aufmerksamkeit auf den Leerstand in Leipzig machen sollte. Der Eigentümer plante keine Renovierung. Sie erinnerte sich nicht daran, ob die Häuser Nr. 69 und 71 offen oder verschlossen gewesen wären. Sie hätte nicht gesehen, ob an dem Haus etwas renoviert wurde durch die Besetzenden.

Es hätte eine Kommunikation durch die Besetzenden an die Nachbar:innen gegeben. Sie hätte einen Zettel im Briefkasten gehabt, in dem sich ein gutes Miteinander gewünscht wurde. Vielleicht hätte es auch mehrere solcher Briefe gegeben. Über ein Treffen zwischen Besetzenden und Nachbar:innen wüsste sie nichts.

Einen direkten Kontakt zu den Leuten vor oder in dem Haus hätte sie nicht gehabt aber einmal als sie auf dem Balkon gestanden hätte, hätte sie eine Person beim Zähne putzen gesehen. Die Personen im Haus hätte sie nicht beschreiben können, außer dass ihre Kleidung eher dunkel gewesen sei.

5. Zeugin Sylvia Ronneberger

Anschließend hat die Polizeibeamtin Sylvia Ronneberger ausgesagt. Sie war in der Polizeistation in der Dimitroffstraße und hat einen der betroffenen Personen entgegengenommen. Sie erinnerte sich nicht mehr von wem. Sie hätte die Person belehrt und entlassen. Sie selbst war an dem Tag nicht Vorort in der Ludwigstraße gewesen.

6. Zeugin Kristin Simon

Es folgte die Aussage von der Polizeibeamtin Kristin Simon. Sie war ebenfalls auf der Polizeistation und bekam die andere betroffene Person übergeben. Die Frage nach einer Beschuldigtenaussage, hätte die betroffene Person verneint. Auf die Frage, ob die Beamtin sich die Fotos auf dem Telefon der betroffenen Person angucken könnte, hätte die Person zugestimmt. Ein weiterer Beamter der SokoLinx hätte ein Fotomotiv wiedererkannt. Es hätte sich um einen Ort in dem Haus Nr. 71 gehandelt. Daraufhin hätte sie die Staatsanwaltschaft angefragt, dass Handy sicherzustellen.

Die betroffene Person hätte sich weder zu den Fotos, noch anderer Fragen geäußert. Fr. Simon erinnerte sich nicht mehr an die Kleidung. Die Kommunikation zwischen der betroffenen Person und Fr. Kaufmann sei freundlich gewesen, auch wenn die betroffene Person nicht viel sprach. Die Person unterschrieb nichts.

Die DNA-Entnahme und erkennungsdienstliche Behandlung wurde durch Fr. Götze durchgeführt. Fr. Simon erinnerte sich nicht mehr, ob sie auch dabei gewesen wäre. Der Grund für die ED – Behandlung sei die Wiedererkennung durch Zeug:innen. Es hätte sicherlich einen Beschluss gegeben aber genau erinnern würde sie sich nicht mehr. Die Durchsuchung durch Fr. Kaufmann wurde nicht allein durchgeführt. Ein Kollege sei immer mit dabei. Sie erinnere sich nicht mehr, ob die betroffene Person der Durchsuchung widersprochen hätte. Auf die Frage, ob der Kollege der betroffenen Person Gewalt oder unmittelbaren Zwang angedroht hätte, sagte sie nein. So etwas würde sie nie machen. Daraufhin mussten erneut einige Menschen im Saal lachen.

Es wurden keine weiteren Zeug:innen gehört.

Es folgte der Antrag, dass der Handwerker, dessen Name nicht genannt werden darf, geladen werden sollte.

Es wurde anschließend der zweimalige Strafantrag von Herr Heng gegen unbekannt verlesen und der Verhandlungstag um 17:20 Uhr beendet.

Der nächste Verhandlungstag ist der 21.11.22 um 10.00 Uhr im Amtsgericht in der Bernhard – Göring -Str. 64 in Leipzig. Kommt zahlreich und unterstützt die Betroffenen!

Pressemittteilung zum Prozesstag am 08.11.22

Leipzig: Verhandlung wegen Hausbesetzung mit Folgetermin

Diesen Dienstag, 08.11.22, wurde im Amtsgericht Leipzig die Hausbesetzung der Ludwigstraße 71 vom August 2020 verhandelt. Es wurden zwei Personen wegen Hausfriedensbruch angeklagt. Nach fast vier Stunden Verhandlung wurde durch das Gericht entschieden, den Prozess am 21.11.22 um 10 Uhr fortzuführen. Eine gut besuchte Kundgebung vor dem Amtsgericht solidarisierte sich mit den Angeklagten.

Die Ludwigstraße 71 (Luwi71) nahe der Eisenbahnstraße im Leipziger Osten wurde im August 2020 für fast zwei Wochen besetzt. Am 02.09.22 dann wurde die Besetzung von einem Großaufgebot der Polizei geräumt, jedoch keine Menschen im Haus aufgefunden. Die heute, am 08.11.22, angeklagten Personen wurden damals lediglich in der Nähe des Hauses aufgegriffen, von der Polizei mitgenommen und auf der Dimitroffwache einer Erkennungsdienstlichen Behandlung und DNA Entnahme unterzogen.

Die Hauptverhandlung am Dienstagnachmittag wurde vordergründig durch die Vernehmungen von sechs Zeug*innen gefüllt. Zuerst wurde der Eigentümer U. Heng vernommen, der sich damals entschied, sich nicht auf die Gesprächsangebote der Besetzer*innen einzulassen und welcher schließlich den Räumungsbefehl gegeben hat. Auch vor Gericht betonte er seine Verärgerung über die Besetzung seines Eigentums – er wollte sich nicht erpressen lassen, wurde dadurch bockig und fühle sich nach eigener Aussage in einer Bedrohungslage.
Im Objekt selbst sei Heng seit der Besetzung nicht mehr gewesen. Ein Zutritt sei derzeit lediglich durch den 2. Stock möglich; die Türen und Fenster der Luwi71 ließ er zumauern. Was mit dem immer noch leer stehenden Haus geschehen soll, konnte Heng vor Gericht nicht sagen, da er über zwei Jahren später immer noch in der Überlegungsphase sei. Leo Winter, selbst im Gerichtssaal dabei gewesen, kommentierte U. Hengs Aussagen wie folgt: „Heng wirkte sehr abgehoben, wie ein richtiger Immobilienhai. Vor Gericht gibt er an von der Sozialen Erhaltungssatzung rund um die Eisenbahnstraße, dem Konzept des Wächterhauses, Leerstandsquoten und der Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt zu wissen. Trotzdem lässt er das Haus verfallen und kümmert sich nicht um dessen Erhalt. So ein Verhalten sollte Konsequenzen haben – und nicht die Wiederbelebung und Nutzung eines leerstehenden Hauses. Die Luwi71 ist jetzt immer noch dem Verfall überlassen.“
Nach dem Eigentümer wurden vier Polizist*innen, welche bei den Angeklagten die Erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt hatten, angehört. Zudem wurde eine Nachbarin der Luwi71 vernommen. Diese hätte die angeblichen Besetzer*innen im Garten der Luwi71 gesehen.

Vor dem Amtsgericht versammelten sich rund 50 Personen zur solidarischen Prozessbegleitung und Kundgebung, um sich gegen Repression, Eigentum und Gentrifizierung stark zu machen. Diese Inhalte betonten auch die Angeklagten in ihrem Statement, welches sie vor Gericht verlasen: „Hausbesetzungen stellen das Bedürfnis der Menschen vor die Profitinteressen von Immobilienbesitzer*innen. In der Ludwigstraße wurden durch die Besetzung keine Menschen aus ihrem Zuhause geschmissen, vielmehr wurde ein neuer Ort der Begegnung geschaffen und ein leerstehender Raum mit Leben gefüllt. Trotzdem werden die Menschen verurteilt, die sich für eine andere freiere Welt einsetzen. Es ist ein Unding, Häuser einfach verkommen zu lassen. Privatisiertes Eigentum gehört abgeschafft und Wohnraum kollektiviert.“

Am 21.11.22 soll die Verhandlung um 10 Uhr in Raum 252 des Amtsgerichts Leipzig fortgeführt werden. Zu diesem Termin werden die Aussagen weiterer Polizist*innen und des damaligen Hausverwalters der Luwi71 erwartet, dessen Namen heute nicht genannt werden durfte.

Email: leipzigbesetzen@riseup.net
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Blog: leipzigbesetzen.noblogs.org

Statement im Gericht 08.11.22

Im August 2020 wurde die Ludwigstraße 71 für fast zwei Wochen besetzt!  Das Haus sah im Sommer 2020 von außen unbewohnt aus, Menschen ohne Obdach nutzten es für ihre Zwecke. Das Haus war also offen. Im Haus war es sehr zugemüllt, Spritzbesteck konnte in einigen Ecken erspäht werden, von den Wänden rollte sich die vergilbte Tapete runter, viel Schutt und Asche waren im ganzen Haus verteilt. Es galt, das Haus vor dem Verfall zu schützen. Es wurde aufgeräumt und Platz geschaffen. Das Nutzungskonzept: kollektive Wohnräume und Notfallwohnen in den oberen Etagen und der Öffentlichkeit zugängliche Räume sowie Projektwerkstätten im Erdgeschoss. Beratungsstellen und Initiativen hätten ebenfalls ihren Platz im Haus finden können. Die Kellerräume bieten Raum für Proberäume für Bands. Der verwilderte Garten sollte ebenfalls für die Gemeinschaft zugänglich gemacht werden, mit der Möglichkeit, Hochbete anzulegen und einen Schulgarten zu etablieren.

Schon während der Zeit der Besetzung gab es eine breite Form der Selbstorganisation: Küfas (Küche für alle), Nachbar*innenversammlungen und politische Veranstaltungen sowie gemeinsame Abende wurden selbstständig und eigenverantwortlich mit anderen Menschen zusammen auf die Beine gestellt. Nach der ersten Corona-Welle war die Luwi71 ein Ort der Vernetzung, des Austausches und des Beisammenseins, all das, was während der sozialen Isolation durch die Pandemie unmöglich war. Doch warum braucht es dazu eine Besetzung? Sollen wir doch ins Café gehen, würde eins vielleicht sagen.

Es steckt eben mehr dahinter: Besetzungen schaffen unkommerzielle Freiräume, in denen wir sein können, ohne uns an aufgedrückte Regeln und Normen halten zu müssen. Hierbei geht es uns nicht darum, ohne Regeln fürs soziale Miteinander leben zu wollen. Vielmehr wollen wir selbst aushandeln, wie wir mit einander leben und umgehen wollen. Das können wir nur in solchen Freiräumen schaffen, wo wir sicher vor den Leistungsansprüchen und Zwängen der breiten Gesellschaft sind. In der Ludwigstraße wurden keine Menschen vertrieben. Tatsächlich wurde sich dort leer stehender Raum angeeignet und mit Leben gefüllt, was laut der deutschen Rechtssprechung eine Straftat darstellt. Es ist ein Unding, Häuser einfach verkommen zu lassen. Die falsche Hoffnung von Städten, irgendein Investor würde ihre alten Häuser aufkaufen und wieder schön machen, und erstrecht privates Eigentum, trägt maßgeblich dazu bei, dass Häuser leer bleiben und verfallen. Wer so etwas tut, sollte enteignet werden.

“Seit es Hausbesetzungen gibt, wurden diese kriminalisiert. Die viel zitierte Enteignung von Eigentum zum Wohle der Allgemeinheit aus dem deutschen Grundgesetz (§14 Abs. 3) findet zwar oft genug seine Anwendung, wenn Wälder Autobahnen weichen müssen oder ganze Dörfer wegen des Braunkohleabbaus verschwinden. Leerstehende Häuser scheinen davon jedoch ausgenommen zu sein. Es entsteht der Eindruck, dass mit dem „Wohle der Allgemeinheit“ vor allem das „Wohl der deutschen Wirtschaft“ gemeint ist. Und dieser Eindruck täuscht nicht. Hausbesetzungen stellen das Bedürfnis der Menschen vor die Profitinteressen von Immobilienbesitzer*innen. Das Eigentumsrecht ist eine der fundamentalsten Säulen unseres Wirtschaftssystems und der Staat (mit seinem Polizeiapparat und seinem Justitzsystem) dient als Verteidiger dieses Systems.”

Historisch betrachtet wurden Hausbesetzungen seit jeher von Repressionen überzogen. Auch im Fall der Luwi 71 wird sich verschiedenster Methoden des Rechtsstaates bedient: DNA-Entnahme, das Vermessen der Ohren, die akribische Spurenuntersuchung, -sicherung und -auswertung von hunderten Beweisstücken für einen Bagatelldelikt und weitere der Schikane und Einschüchterung dienender Mittel. In anderen Fällen, wie der Besetzung der Bornaischen Straße 34, in der die DNA-Entnahme ebenfalls erzwungen wurde und weiterhin soll. Ein weiteres Beispiel findet sich im Putzi in Dresden, was völlig überzogenerweise und unnötig martialisch vom SEK geräumt worden ist. Die Liste lässt sich um Einiges weiter fortsetzen. Aber warum?
“Die Wohnungs- und Stadtpolitik ist heute fast ausschließlich profitorientiert. Wichtig ist in erster Linie, dass die „Attraktivität“ der Stadt steigt, sie in Rankings möglichst hoch positioniert ist und auch genug Platz und Attraktionen für zahlungskräftige Tourist*innen angeboten werden können. Die „neoliberale“ Stadt verlangt nach der systematischen Aufwertung von Vierteln im Innenstadtbereich. Diese Aufwertung wird als Segen für die Einwohner*innen verkauft, ist ein solcher aber ausschließlich für ein wohlhabendes, bürgerliches Klientel. Diesen Prozess betrachten wir als die Gentrifizierung der Stadt. Diese ist heute, wo Stadtentwicklung, in Form von Immobilienverwertung, zu einer der wichtigsten Investitionsmöglichkeiten wurde, zur Regel geworden.”
In solchen Städten haben Freiräume und Besetzungen keinen Platz und dass, obwohl sie in Leipzig eine lange Tradition haben. In den 90ern haben Hausbesetzer*innen viele Häuser durch Instandbesetzung vor dem Abriss gerettet. Erst dieses Engagement und der Aktivismus der Besetzer*innen von damals hat Leipzig zu der Stadt gemacht, die sie heute ist, in der so viele Menschen wohnen wollen.
“Während neue Orte für alle, die es sich leisten und sich damit identifizieren können, geschaffen werden, warten viele Menschen vergebens darauf, in der Stadtplanung berücksichtigt zu werden. Ihnen werden Räume genommen und gleichzeitig dem Verfall preisgegeben. Häuser stehen Jahre lang leer und werden zudem noch zugemauert und abgeriegelt, damit es auch ja niemand wagt sie zu betreten. Nicht selten liegt das daran, dass sich kein*e neue*r Investor*in findet oder auf Baugenehmigungen gewartet werden muss.” Wenn wir uns aktuelle Bilder der Ludwigstraße ansehen, dann sehen wir ein zugemauertes Erdgeschoss, ebenso die erste Etage. Sie steht leer und es passiert genau nichts!
“Nicht wirklich neu, dafür aber immer noch nicht umgesetzt, ist der Gedanke, dass es Bedürfnisse innerhalb städtischer Lebensweisen gibt, die nach Orten des unkommerziellen Austauschs und Miteinanders streben. Dass diese Bedürfnisse tatsächlich existieren und nicht befriedigt werden, zeigt nicht zuletzt der große Rückhalt, den Hausbesetzungen oft aus der Stadtgesellschaft und teilweise sogar aus bürgerlichen Medien erfahren. Denn Besetzungen von Häusern zielen in radikaler Weise auf die Verwirklichung dieser Bedürfnisse ab.” Die Debatten und politische Aufmerksamkeit während der Besetzung der Ludwigstraße 71 war enorm. Regional und überregional wurde das Thema der Mieten, Freiräume und Stadtentwicklung in den Medien und in den Parlamenten heiß diskutiert.
“Es mangelt nicht nur in [Leipzig] an Jugend- und Freiräumen, die selbstverwaltet sind und einen emanzipatorischen Anspruch vertreten. Dadurch wird es versäumt, Grundlagen einer freien Kultur für alle zu schaffen, einer Alternative der kapitalistischen Gesellschaft und des Ausschlusses. Diese Orte sind aber nach wie vor notwendig, um die Bedürfnisse der in Städten lebenden Menschen zu erfüllen. Dafür sind ebenso Wohnungen notwendig, in denen auch gewohnt werden kann, ohne jeden Monat darum bangen zu müssen, die Miete zahlen zu können. Es gibt eine Menge leerstehender Gebäude, die geeignet dafür sind, Wohn- und Kultureinrichtungen, die diesen Idealen entsprechen, aufzubauen. “
“Besetzungen und andere politische Handlungen, welche diese Ideale verwirklichen sollen, sind nicht nur Kämpfe darum, wem die Stadt gehört. Ganz im Gegenteil: Sie wollen die Stadt in ihren Grundfesten verändern, sie sind „gesellschaftliche Utopie und kollektive Forderung zugleich.“ Eine Besetzung ist auf diesem Weg immer nur ein kleiner, aber in seiner Radikalität dafür ein umso wichtigerer Schritt. Denn diese Form der Aneignung von Leerstand, während gleichzeitig so viele freie Räume fehlen, kann kurzfristige Lösungen auf dem Weg zu einer Stadt, in der sich alle wohlfühlen, schaffen. Sie ist nicht nur auf die Beteiligung der Nachbar*innenschaft angewiesen, sondern schafft spontane Partizipationsmöglichkeiten, wie sie sonst leider selten zu finden sind.” In Leipzig verschwinden solche Orte sukzessive aus dem Stadtbild, sei es das Trautmanns, das Radlager oder die Brache. Freiräume schaffen ist kein Verbrechen!
> wir haben uns in dem Statement an Texten von “Wir besetzen Dresden” angelehnt und diese hier durch Zitate hervorgehoben. Diese sind, neben anderen tollen Artikeln, alle auf der Seite https://wirbesetzendresden.blackblogs.org/ zu finden.