Pressemitteilung zur Räumung der Tiefen Straße 3 in Leipzig am 11.06.2021

LeipzigBesetzen, 12.06.2021: Tiefe Straße 3 nach sieben Stunden geräumt

Nach sieben Stunden Besetzung wurde die Tiefe Straße 3 gestern Abend am 11.06.2021 durch die Polizei geräumt. Zwei Besetzer*innen wurden von der Polizei mitgenommen. Die Solidaritätskundgebungen liefen den gesamten Abend und auch nach der Räumung saß die Nachbar*innenschaft noch auf der Straße zusammen.

Das Haus in der Tiefen Straße 3, welches 20 Jahre leer stand, wurde am 11.06.2021 ab 15:45 Uhr durch LeipzigBesetzen besetzt gehalten. Nachdem um 21 Uhr der Einsatz begonnen wurde, endete die Räumung um 23:00 Uhr mit der Abführung von zwei Besetzer*innen durch die Polizei. Als die Besetzung um 15:45 Uhr begann, wurde eine Versammlung in Unterstützung mit der Aktion vor dem Haus angemeldet. Auf dieser waren unter anderem Redebeiträge zu hören, eine Küche für Alle (Küfa) wurde veranstaltet und eine sich spontan solidarisch zeigende Band ist aufgetreten. Punkt 21:00 Uhr begann jedoch die Polizei trotz noch angemeldeter Kundgebung die versammelten Menschen, inklusive Band, zu drangsalieren. Die Polizei versuchte sich ungefragt und zum Teil mit Werkzeug Zugang zu Hinterhöfen zu verschaffen, filmte ohne Anlass die Menge, schickte Beobachtende weg und blockierte zeitweise die Cichoriusstraße. Im Kontrast dazu, sollte der Verkehr auf der Zweinaundorfer Straße weiterlaufen, wodurch eine Gefährdung von Versammlungsteilnehmer*innen von durchrasenden Autos in Kauf genommen wurde. Eine weitere Absurdität war, dass die Beamt*innen einen Zaun im Hinterhof, der sie zu stören schien, kurzerhand mit Hilfe der Feuerwehr durchflexten. Währenddessen kam es durch die anwesenden Nachbar*innen zu lautstarkem Widerstand, es gab eine Blockade der Zweinaundorfer Straße, Musik wurde gespielt und das Handeln der Polizei nicht unkommentiert stehen gelassen. Besonders schön waren die Vielzahl von solidarischen Menschen, die im Hinterhof das Geschehen kritisch beobachteten, Sprechchöre anstimmten und somit den in einer Maßnahme befindlichen Besetzer*innen sowohl Mut als auch Sicherheit vor möglichen Übergriffen durch die Polizei gegeben haben. LeipzigBesetzen bedankt sich bei allen Unterstützer*innen.

 

Wir sind enttäuscht, aber nicht überrascht über das Vorgehen der Immobilienfirma Immovaria GmbH, welche ihren Sitz in Nürnberg hat und Eigentümerin des Gebäudes ist. Sie hätte die Chance gehabt, mit uns in einen Dialog zu gehen und das von uns erarbeitete Nutzungskonzept sowie die Vorschläge der ansässigen Nachbar*innen anzuhören und in die Realität umzusetzen. Sie hätte ebenfalls von der Linie der Wohnraumspekulation und des bewussten Verfallenlassens von Leerstand abzuweichen. Aber das taten sie nicht: stattdessen stellten sie sofort den Räumungstitel aus und sorgten dafür, dass die Staatsmacht diesen durchsetzte. Unser Gesprächsangebot an Immovaria wurde nicht wahrgenommen. Stattdessen tilgte Immovaria von ihrer Website noch vor Räumungsbeginn das sogenannte Projekt „T3“ von ihrer Website, dessen Ansichts- und Lageskizze sehr deutlich auf die Tiefe Straße 3 schließen lässt.

„Für ein paar Stunden konnten wir ansatzweise den Austausch und die Nachbarschaftsvernetzung wieder aufleben lassen, welche sich bereits letzten August/September durch die Ludwigstraße 71 in Leipzig Neustadt-Neuschönefeld gebildet hatte. Die frühzeitige Räumung der Tiefe hat dies leider verhindert. Stattdessen bleibt bei uns Trauer und Wut, aber auch der Mut, uns weiter gegen kapitalistische Zustände zu wehren.“, sagt Kaja von LeipzigBesetzen und fügt hinzu: „Wir sind froh, dass unsere Genoss*innen bei der Räumung nicht verletzt wurden.“ Wir von LeipzigBesetzen stellen uns entschieden gegen Mietprofite, Privateigentum und Abhängigkeit von Mietverhältnissen und kämpfen stattdessen weiterhin für die Kollektivierung von Wohnraum!

Heute Abend um 22:00 Uhr wird es die Chance für die Nachbarschaft geben, ihre Wut über die Polizei, die Immovaria und den kapitalistischen Wohnungsmarkt auf einer Demonstration zum Ausdruck zu bringen.

Nutzungskonzept für die Tiefe Straße 3

Das am 11.06.2021 besetzte Haus in der Tiefen Str. 3 steht nun schon jahrzehntelang leer; wir möchten es nun zum Wohnen nutzen und ihm neues Leben einhauchen. Denn auch in Leipzig wird der bezahlbare Wohnraum knapp. Daran ändern auch die derzeitigen Inhaber*innen nichts. Denn sie möchten Häuser hochwertig sanieren und sie mit allen möglichen teuren Dingen ausstatten, die sich die Menschen, die jetzt hier wohnen nicht leisten können. Damit wird ein Trend fortgesetzt, welcher sich bei der alten Karl Krause Fabrik in der Theodor-Neubauer-Straße, nur unweit von hier, bereits etabliert hat. Wir möchten mit der Besetzung verdeutlichen, dass wir eben gegen diese hohen Mieten und deren Profite sind und Wohnraum kollektivieren wollen. Mit dem Haus in der Tiefen Straße 3 soll genau das passieren. Im Folgenden beschreiben wir erste Vorschläge  für die Nutzung:

Das Haus hat vier Etagen und besitzt einen Keller. Außerdem befindet sich ein kleiner Garten auf der Rückseite des Hauses. In der Umgebung lassen sich Einkaufsmöglichkeiten, Spätshops, alternative Cafés und Bars sowie Bibliotheken, Fahrradwerkstätten und eine sehr nahe gelegene Bus- und Bahnhaltestelle finden. Im Keller sind Proberäume für Musikgruppen vorstellbar. Durch die dicken Mauern im Keller werden auch keine Nachbar*innen gestört.

Im Erdgeschoss könnte sich eine kleine Projektwerkstatt etablieren. Das heißt, es gibt Multifunktionsräume, welche sich einerseits zum Lagern anbieten könnten. Andereseits könnten sie aber auch zum Abhalten von Sitzungen, Gestalten von künstlerischen Werken oder als Anlaufstelle für neu Zugezogene dienen, wo es u.a. allerlei Informationen geben soll (von Dolmetscher*innen, über Beiträge von politischen Gruppen bis hin zu öffentlichen Toiletten).

Die anderen Stockwerke können zum Wohnen dienen. Dabei ist vorstellbar, dass eine Wohnung oder Etage für Menschen in prekären Situationen zur Verfügung steht. Das könnten z.B. Menschen sein, die häusliche Gewalt erlebt haben oder nirgendwo sonst eine Wohnung finden können.

Der Garten könnte als Gemeinschaftsgarten gestaltet werden, welcher dann nicht nur von den Bewohner*innen des Hauses genutzt werden kann, sondern auch von anderen Menschen. Durch Hochbeete kann ein Angebot für alle geschaffen werden und es kann ein Austauschort entstehen.

Verwaltungsmöglichkeiten

Wir sehen das Haus als hierarchiefreien und solidarischen Raum, dessen Nutzung und Verwaltung selbstverwaltet und in freier Trägerschaft stattfindet. Eine unkommerzielle Raumnutzung ist eingeschlossen.

Unser Plan für die Zukunft

Sofern alle rechtlichen Angelegenheiten geklärt sind, werden wir uns um das Haus kümmern. Uns ist bewusst, dass die Eigentümer*innen viel Arbeit und Innovation in die korrekte Aufarbeitung des denkmalgeschützen Hauses gesteckt haben. Allerdings sind die Gewinne dieser Firma der letzten Jahre nicht zu knapp ausgefallen. Und wie das Unternehmen selbst schon festgestellt hat, hat es über 100 Wohneinheiten in der Hand. Diese sind teuer und passen zumindest nicht in dieses Stadtviertel. Die Bausubstanz wird geprüft und auftretende Mängel beseitigt, um Sicherheit herzustellen. Wir setzen dabei vor allem auf solidarische, ehrenamtliche Hilfe, aber auch Fachpersonal. Die Beteiligung aller Menschen ist uns wichtig.

Wir begreifen uns und das Haus als offenes Projekt, in dem soziale Kontakte gepflegt, Neues gelernt und sich untereinander geholfen werden kann. Ein emanzipatorischer, solidarischer Ansatz für alle Menschen, insbesondere für diese aus der Nachbarschaft, ist das Ziel.

Wir sind in jedem Fall zu Verhandlungen bereit und würden uns freuen, Sie an der Tiefen Straße 3 begrüßen zu dürfen.

Grüße aus der Tiefe,

LeipzigBesetzen

Pressemitteilung: Haus in der Tiefe Straße 3 besetzt

Heute, am 11. Juni 2021, haben wir das Haus in der Tiefe Straße 3 in Leipzig Anger-Crottendorf besetzt. Die Besetzung soll auf die Missstände der Wohnungspolitik aufmerksam machen und ein konstruktiver Gegenvorschlag sein. Das Objekt selbst soll zu kollektiviertem Wohn- und Kulturrraum werden. Wir sind ausdrücklich offen für Verhandlungen. 
“Während Gentrifizierungsprozesse die Mieten immer weiter steigen lassen, Menschen aus ihren Kiezen an den Stadtrand verdrängt werden und saubere Hausfassaden wichtiger zu sein scheinen als schimmelfreie Wände, stehen Wohnhäuser, wie das von uns besetzte Gebäude, jahrelang als Spekulationsobjekte leer. Bis sie schließlich luxussaniert und die Wohneinheiten für Unsummen vermietet werden.“, erläutert Aaron von LeipzigBesetzen. Zwischen 2013 und 2020 ist die durchschnittliche Gesamtmiete in Leipzig um 13,5 % gestiegen. Der Anstieg bei den Angebotsmieten, also den Mieten für vergleichbare verfügbare Mietobjekte, betrug sogar 30,6 %.[1] Mit durchschnittlich 37 % geben die Menschen in Leipzig mehr als ein Drittel ihres Nettoeinkommens für Miete aus. Gleichzeitig sind die Nettoeinkommen in der Stadt bundesweit mit am geringsten.[2] Doch auch ohne Statistik ist offensichtlich, dass Viertel wie Connewitz, die Eisenbahnstraße, Reudnitz oder Anger-Crottendorf vor ein paar Jahren noch ganz anders ausgesehen haben. Alle können dem rasanten Verschwinden von Freiräumen, Grünflächen und Wohnhäusern zusehen und beobachten, wie an ihrer statt anonyme, blankgeputzte, teure “Wohn”-Gebäude auftauchen.
Die Entwicklung der Stadt wird aktuell nicht von den in ihr lebenden Menschen gestaltet, sondern von den kapitalistischen Zuständen des Wohnungsmarktes. Wohnraum darf jedoch keine Spekulations- und Geldanlage darstellen. 
“Wieso sollten Menschen für ihr Grundrecht auf ein Dach über dem Kopf bezahlen müssen? Wir stellen uns gegen Mietprofite! Profite, d.h. Gewinn bzw. Überschuss, auf Kosten anderer Menschen zu machen, hat in einer Gesellschaft, in der wir leben wollen, keinen Platz.”, so Aaron von LeipzigBesetzen. Das Eigentum von Mietshäusern muss abgeschafft werden, sonst sind Mieter*innen weiterhin der Willkür der Eigentümer*innen ausgeliefert. Stattdessen wollen wir, von LeipzigBesetzen, dass Wohnraum kollektiviert wird. Er soll also keiner*m Vermieter*in gehören und auch nicht dem Staat, sondern gemeinsamer Besitz aller Menschen sein, die in einem Haus wohnen. Wohnraum ist etwas, das zusammen entsteht und wächst. Wir verstehen lebenswerte Städte als einen Prozess, der von der Gemeinschaft gestaltet wird. Wir sind überzeugt, dass wir nicht die einzigen sind, die sich für diese Dinge – also Verdrängung, Mietensteigerung, Wohnungsmangel und Co – interessieren! Deshalb rufen wir am Samstag, den 12.06.2021 ab 16 Uhr im Lene-Voigt-Park zu einer ersten Nachbar*innenversammlung auf, um mit den Anwohner*innen sowie Interessierten darüber zu sprechen, wie ein Nachbarschaftsprojekt und ein gemeinschaftliches Zusammenleben aussehen kann. 
Für Presseanfragen sind wir telefonisch unter  +4915759431830 oder per Mail an leipzigbesetzen@riseup.net erreichbar.
Grüße aus der Tiefe
LeipzigBesetzen