Wir haben in der Nacht vom 3.1.’22 das Haus in der Crottendorfer Straße 9 scheinbesetzt. Das Haus steht seit vielen Jahren leer und wurde so sehr von den sogenannten Eigentümer*innen vernachlässigt, dass das Dach durchgerottet ist und Löcher in den Böden der oberen Etagen zu finden sind. Drinnen finden sich Hinweise auf eine jahrzehntelange Nutzung durch Menschen, die in dem Haus mehr als eine Ruine sahen: Schlafplatz, Ort zum Ausprobieren, Austoben und Runterkommen, Ort zum Gestalten. Ein Blick nach oben zeigt ein großes Stück Himmel, Wasser tropft von den durch die Witterung freigelegten Balken…
Auf den zwei Transpis, die rausgehangen wurden, steht: “Ob Ost ob West, Häuser werden besetzt!” und “Solidarität mit allen Antifas und Hausbesetzer*innen in Connewitz, Dresden und überall – Wir sind alle Linx – §129 abschaffen | Soko Linx auflösen | rechte Strukturen hämmern”.
Im letzten halben Jahr ist viel passiert. Bereits im Frühjahr haben wir zum Sommer der Besetzungen aufgerufen. Scheinbesetzungen, ein kleines Cornern und mehrere Besetzungen folgten. Wir selbst wollten auch noch ein Haus besetzen, aber mehrere Umstände verhinderten dies leider im letzten Moment. Nicht nur einmal entschieden wir uns gegen Objekte, da sie augenscheinlich von Menschen bewohnt wurden. Es freut uns, dass dieser kapitalistisch herbeigeführte Leerstand durch stille Besetzungen weitergenutzt werden kann. (Auch wenn es zeigt, wie beschissen die Wohnsituation in Leipzig heute schon ist.)
Danke an alle Menschen, die auf verschiedene Art beim Sommer der Besetzungen dabei waren. Wir für unseren Teil wollen das Jahr 2021 mit dieser Scheinbesetzung für uns beenden und haben erstmal nicht vor weitere Aktionen zu machen. Ob wir nochmal als Gruppe Aktionen machen werden, wissen wir nicht. Selbst wenn wir nichts eigenes mehr auf die Beine stellen, überlegen wir uns noch wie wir unsere angehäuften Erfahrungen weitergeben können.
Solidarische Grüße gehen raus an das Kloster in Aachen, das nach ca. 5 Monaten immernoch besetzt und nun neuerdings wieder räumungsbedroht ist. Wir denken mit Wut an die G19 in Freiburg, die die Bullen nach über einem Jahrzehnt Besetzung einfach dem Erdboden gleichgemacht haben! Wir stehen solidarisch mit dem anarchistisch-(queer)feministischen Syrena Squat in Polen (Warschau), das vom cis-männlich dominierten Przychodnia Squat angegriffen wurde. Soligrüße schicken wir außerdem auch an die Habersaathstraße in Berlin, die durch Hartnäckigkeit und direkte Aktion ein verdientes neues Zuhause für wohnungslose Menschen geschaffen hat.
Zu guter Letzt an alle, die den Sommer der Besetzung aktiv verfolgt haben und zu ihm beigetragen haben: Macht weiter so! Ob Ost, ob West, Häuser werden besetzt!
Außerdem wollten wir noch bereits fertiggestellte Inhalte mit euch teilen. So war das nicht umsonst und die LWB bleibt nicht verschont. Hört den Mieter*inneninitiativen des Musikviertels oder der Südvorstadt zu und unterstützt sie in ihrem Kampf:
Bewusst hatten wir uns für eine weitere Besetzung gegen ein Gebäude von einem privaten Eigentümer und für ein Haus der städtischen LWB entschieden. An sich klingt es positiv, wenn Mietshäuser nicht dem freien Markt unterliegen, sondern sich im Besitz der Stadt befinden, die die Wohungen ohne Profitinteresse vermieten kann. Nur der Haken ist: das funktioniert nicht!
Seit Jahren erhöht auch die LWB die Mietpreise und das sogar auch während der Corona-Pandemie. Außerdem werden viele LWB Häuser entmietet, saniert und dann zu deutlich höheren Preisen vermietet. Ein Beispiel ist die Sanierung der Brandvorwerkstraße 62/64 und Hardenbergstraße 4/6, wo die Preise von 3,71 EUR/m² auf ca. 10m² kletterten.¹ Vor der Renovierung stehen viele Wohnungen leer, die eigentlich sehr dringend gebraucht werden. Anstatt Sozialwohnungen zu bauen, die bestehenden zu reparieren oder sie zu erhalten, werden die Wohnungen teurer und damit unbezhalbar für viele Menschen. Mit dem Argument, dass sich ja mit Gebäuden in beliebten Vierteln wie der Südvorstadt Geld verdienen lässt, stellt die LWB bezahlbaren Wohnraum nur am Rand der Stadt zur Verfügung, wie beispielsweise in Grünau. Menschen, die sich die Miete nicht leisten können, werden so immer weiter an den Stadtrand verdrängt. Über die LWB wird oft behauptet, dass sie allen Leipziger*innen gehören würde. Das ist nichts als eine Lüge. Die Interessen der Mieter*innen werden komplett ignoriert und statt dessen wird nach einer Profitlogik gehandelt. Was bringen also städtische Wohnungen, wenn auch dort die Preise sich dem Mietspiegel anpassen? Wenn es auch dort Sanierungen gibt, die die Leute, die darin wohnen, gar nicht wollen, weil es für sie bedeuten würde, dass sie ausziehen müssen? Wenn auch dort trotz Wohnraumknappheit etliche Wohnungen leerstehen?
Für uns zeigt sich, dass eine Verstaatlichung von Wohnhäusern das Problem nicht löst. Wir fordern stattdessen eine Kollektivierung von Wohnraum, nach der einzig alleine die Bewohner*innen der Häuser über ihre Zuhause bestimmen, ohne dass sich private Eigentümer*innen oder der Staat einmischen kann.
Ebenso deutlich wird in Leipzig wie in Berlin und vielen anderen Städten, dass der Weg über die Institutionen und das ewige Wählen von Repräsentant*innen keine echte Mitbestimmung ist. In Leipzig haben wir noch Glück. Hier wurde der Verkauf vom stadteigenen Immobilienbestand gestoppt. In Berlin hat die Linkspartei große Teile ihres Bestandes Anfang der 2000er verscherbelt. Diese werden jetzt versucht mühsam und teuer wieder zurück zu holen. Doch selbst ein mit deutlicher Mehrheit beschlossener Volksentscheid wird einfach ignoriert. Die SPD und ihr rot-rot-grünes Regierungsbündnis haben mal mehr mal weniger offen gesagt, dass sie Die Deutsche Wohnen nicht enteignen werden, egal was die Bewohner*innen der Stadt sagen oder womit im Wahlkampf geworben wurde. Das einzige, von dem sich gezeigt hat, dass es etwas bringt, sind direkte Aktionen und öffentlicher Protest durch eine breite und vielfältige Mieter*innenbewegung. Jahrzehnte der Besetzungen, des Kampfes um unsere Freiräume, der Vernetzung untereinander und der nachbarschaftlichen Arbeit. Das alles hat überhaupt erst den Druck erzeugt, der die Politik zum Mietendeckel oder Milieuschutz trieb und in der die Kampagne Deutsche Wohnen Enteignen entstehen konnte.
Für eine Stadt für alle, in der es um die Bedürfnisse der Menschen geht und nicht um Profitinteresse.
Kollektivierung statt Verstaatlichung!
Besetzungen und Mietstreiks für eine Stadt nach den Vorstellungen der Menschen, die darin leben!
Die Häuser denen, die drin wohnen und denen, die sie brauchen!