Wie viele Häuser, die ihr kennt, sind blitzeblanken, weißen, unpersönlichen Neubauten gewichen? Wo sind die Partys in illegalen Kellern, die selbstverwalteten Kunstwerkstätten und die Open Airs, die angeblich Leipzigs Kulturleben ausmachen? Wie viele Kneipen haben in den letzten 4 Jahren zugemacht? Wo sind die Grünstreifen hin, auf denen ihr so gerne rumspaziert seid, wo ihr “frische Luft” mitten in der Stadt gespürt habt? Wo schlafen derzeit die Menschen, die keine feste Wohnung haben, wo kommen sie unter?
Diese Beispiele machen deutlich, wie in den letzten Jahren die Gentrifizierung in Leipzig gewütet hat. Gentrifizierung heißt, dass Wohnungen in besonders beliebten Wohnvierteln immer teurer werden und diejenigen, die das nicht bezahlen können, wegziehen müssen. Das heißt auch, dass die ursprünglichen Bewohner*innen ihr langjähriges Zuhause verlieren und dann oft an den Rand der Stadt gedrängt werden. Also weit weg von ihrem Kiez, ihren Freund*innen und dem gewohnten Umfeld. Das ist ein Problem vieler Großstädte. Leipzig verkommt zusätzlich durch die Luxus-Sanierungen und der Schließung von kleinen, selbstverwalteten Freiäumen zu einem sterilen Raum. Wirtschaftlich Schwächere werden verdrängt. Kultur können nur noch diejenigen genießen, die sich die immer teurer werdenden Mieten leisten können. Bestehende kulturelle Angebote, wie Bars, Clubs, selbstverwaltete Projekte, Kunstwerkstätten, Theater usw. geraten ständig in Bedrängnis. Mit der Vertragsänderung gehen steigende Mieten einher. Nach Ende eines Mietvertrags werden die Räumlichkeiten oft abgerissen, nur, um dafür neue, unfassbar viel teurere Luxuswohnungen entstehen zu lassen. Das ist in Leipzig leider schon bittere Realität. In den letzten Jahren mussten beispielsweise das So&So und die E109 weichen, Spätis und Wagenplätze mussten umziehen, das Black Triangle wurde geräumt. Orte, so verschieden wie das Café NuR, die Ostapotheke oder die Brache sind beständig vom Ende bedroht. Orte, für die es bereits Nutzungskonzepte gibt – etwa die Ostwache – mussten jahrelang darauf warten, von der Stadt eine Genehmigung zu erhalten, die Gebäude überhaupt betreten zu können. Um nur ganz wenige von vielen Beispielen zu nennen. Besser ist es durch die Pandemie-Bedingungen jedenfalls nicht geworden; etliche Kulturorte (und Privatpersonen) kämpfen seit dem mit aller Kraft darum, ihre Mieten zusammenzubekommen.
Zwischen 2013 und 2020 ist die durchschnittliche Gesamtmiete in Leipzig um 13,5 % gestiegen. Der Anstieg bei den Angebotsmieten, also den Mieten für vergleichbare verfügbare Mietobjekte, betrug sogar 30,6 %![1] Mit durchschnittlich 37 % geben die Menschen in Leipzig mehr als ein Drittel ihres Nettoeinkommens für Miete aus. Gleichzeitig sind die Nettoeinkommen in der Stadt bundesweit mit am geringsten. Haltlose Mieterhöhungen, unerklärlich hohe Nebenkostenabrechnungen, baufällige Infrastruktur oder das komplette Durchleuchten zukünftiger Mieter*innen (Bürgschaft, Pass, drei Kontoauszüge, Schufa-Auskunft usw.) sind an der Tagesordnung. Vermieter*innen weisen jede Person ab, die besagte Durchleuchtung nicht bestehen oder strukturell benachteiligt sind. Wir sprechen hier von großen Familien, Menschen mit mehreren schlecht bezahlten Jobs oder Menschen, welche Hartz IV/ALG II beziehen. Und das auch zu Zeiten von Corona. Die Willkür der Vermieter*innen, also der Missbrauch der Monopolstellung ihres Eigentums, basiert auch auf Rassismus. Menschen, deren Nachname nicht “deutsch” klingt, die nicht gut Deutsch sprechen, die nur begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen haben oder ganz einfach nicht weiß sind, bekommen viele Steine in den Weg zu einer Wohnung gelegt. Genau so schwierig ist es, eine passende Wohnung zu finden, wenn Menschen auf Fahrstühle, barrierearme Bäder oder stufenlose Böden angewiesen sind. Barrierefreier Wohnraum ist eine absolute Seltenheit.
Die Entwicklung der Stadt wird aktuell nicht von den in ihr lebenden Menschen gestaltet, sondern von den kapitalistischen Zuständen des Wohnungsmarktes. Die Eigentümer*innen der Immobilien können mit ihrem heiligen Eigentum machen, was sie wollen und niemand stört sie dabei. Die einzige Begründung: Es würde ihnen schließlich gehören, sie haben es ja gekauft. Dass dabei aber Subkulturen kaputt gemacht werden, die erst dafür gesorgt haben, dass ein “Investment” sich lohnt, ist anscheinend egal. Diese Subkulturen sind es doch, die Viertel lebendig machen. In ihnen wird gemeinsam gelebt und es entstehen Räume, die für außenstehende Menschen attraktiv sind. Als wohl unschönster Nebeneffekt führt die Tatsache, dass einige Leute den Wohnraum anderer Menschen besitzen, dazu, dass jede*r für sein*ihr Grundrecht auf Wohnen bezahlen muss! Wieso solltet ihr dafür bezahlen müssen, ein zu Hause zu haben, in dem ihr euch aufhalten dürft? Sollten Menschenrechte wirklich käuflich sein?
Wohnraum darf keine Spekulations- und Geldanlage darstellen! Sich ein Mietobjekt für die Altersvorsorge zu kaufen, können vermutlich sowieso nur Menschen, welche ohnehin schon ausgesorgt haben.
Deshalb stellen wir uns gegen Mietprofite! Das Eigentum von Mietshäusern muss abgeschafft werden! Sonst sind Mieter*innen weiter der Willkür der Eigentümer*innen ausgeliefert. Profite auf Kosten anderer Menschen zu machen, hat in einer Gesellschaft, in der wir leben wollen, keinen Platz! Wohnraum ist etwas, das zusammen entsteht und wächst. Wir verstehen lebenswerte Städte als einen Prozess, der von der Gemeinschaft gestaltet wird. Das lassen wir uns nicht von Kapital und Markt kaputt machen! Wohnraum gemeinsam zu gestalten, heißt für uns auch, ihn zu kollektivieren und ihn miteinander aufzubauen.
Um ein Zeichen gegen besagte Wohnraumpolitik zu setzen und stattdessen kollektive Formen des Wohnens einzufordern, haben wir in der Nacht zum 10. Mai 2021 zwei Häuser scheinbesetzt – die Ludwigstraße 12 (Eisi-Kiez) und die Dimpfelstraße 50 (Schönefeld). Außerdem ein Banner vor dem Luxus-Neubau auf der Wolfgang-Heinze-Straße gegenüber des LazyDogs gedroppt, welches Bilder einer Gated Community in den Kopf ruft. Denn nicht nur Leerstand an sich ist Teil des Problems, sondern auch das, was mit ihm bzw. unbebauten Grundstücken leider viel zu oft passiert.
Die Häuser denen, die sie brauchen und denen, die drin wohnen!
Gegen Mietprofite – Wohnraum kollektivieren!
#Leipzigbesetzen