Redebeitrag von der Kundgebung vor dem Gericht

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Besetzungen verbreiten eine besondere Atmosphäre. Sie geben uns Platz, Räume hierarchiefrei zu gestalten und selbstbestimmt zu verwalten. Sie sind im Kern widerständig gegen die vorherrschende  soziale und politische Ordung. Damit wird eine andere Perspektive des Zusammenlebens und der Organisation aufgemacht. Das hat auch die Luwi geschafft. Während der Zeit der Besetzung konnten die Menschen in und um das besetzte Haus der Ludwigstraße 71 träumen. Es wurde aber nicht nur einer Utopie nachgehangen, sondern es wurden Nutzungskonzepte für das Haus verfasst, Küfa-Strukturen etabliert (Küche für alle) und nachbarschaftliche Versammlungen organisiert. Doch es ist nicht nur die kollektivere Grundidee und das kommerzfreiere Leben, was aus Besetzungen wachsen soll, sondern es ist auch ein Mittel, um gegen die beschleunigende Gentrifizierung aufmerksam zu machen. Auch das konnte bei der fast zweiwöchigen Besetzung beobachtet werden. In der regionalen aber auch überregionalen Öffentlichkeit wurden Mieten, Wohnen und Kiezkultur in den Mittelpunkt gestellt und kontrovers diskutiert. Forderungen, Mieten zu senken und aufwendige Aufwertungsbestrebungen zu stoppen, wurden laut.

Grade das Viertel um die Eisenbahnstraße hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung durch gemacht. Wo einst haufenweise leere Häuser, Brachflächen und ein buntes Stadtleben waren, sind nun schicke Fassaden, Biergärten und teure Preise und Mieten. Die Kontrovese hierbei: Der weniger aufpolierte Zustand, der vor wenigen Jahren so viele anlockte, hat überhaupt erst die ganzen unkommerziellen Räumlichkeiten, die frei nutzbaren Brachflächen und die preiswert bewohnbaren aber ausbauwürdigen Häuser ermöglicht. Von diesen ist aber quasi kaum noch was da. Die E109 wurde vom Goldhorn verdrängt, die Brache wurde privatisiert, das Japanische Haus ist in Gefahr und auch die Luwi71 wurde geräumt. Noch bevor all die Diskussionen um die Vorgänge im Viertel und die Ideen, Impulse und Träume, die während der Besetzung entstanden sind, wirklich zum Tragen kommen konnten, wurden sie von den Handlangern des Staates zerstört. Eigentum verpflichtet eben doch nicht, sondern muss gewaltvoll verteidigt werden.

Dabei verrotten die Orte, die in Eigentumshänden sind, wenn sie nicht aufgewertet werden können ja meistens einfach weiter, bis sie schlussendlich einstürzen. Ob Udo Heng bei der Luwi, die Immovaria bei der Tiefe3 und der B34 oder die Deutsche Bahn beim Black Triangle und in Stötteritz. Wer die Rosa-Luxemburg-Straße in Nähe der Eisi kennt, konnte dort letztes Jahr eindrucksvoll beobachten, was aus kaputten Häusern wird, wenn sie in Privatbesitz bleiben. Dort stürzte die Hälfte eines leerstehenden Wohnhauses ein, sodass die Straßenbahnen tagelang nicht fahren konnten. Die klagende, zerfetzte Innenwand eines alten Wohnzimmers fand sich in jeder Zeitung und ist ein Sinnbild dafür, dass Eigentum zunächst einmal Zerstörung bedeutet. Es war pures Glück, dass keine*r verletzt wurde. Ob Immobilienkonzern, Privatpersonen oder sogar die Stadt – sie alle lassen ihre Objekte leer stehen und bestrafen jede*n, der*die auch nur versucht dem Raum einen gesellschaftlichen Nutzen zu geben.

Von allen Seiten heißt es, Eigentum sei unantastbar. Der Witz dabei: Ohne die ganzen stillen und lauten Besetzungen in den 90er Jahren in Leipzig im Eisi-Kiez (zbsp. in der Mariannenstraße), wären die Altbauten, die heute der Stolz Leipzigs und eine gelegenkommende Investition für manche sind, schon längst zerfallen. Für den Erhalt der Gebäude sorgten zunächst einmal diejenigen, die darin wohnten. Wieso also kriminalisieren, wenn Leute zurecht Leerstand nutzen und die Löcher im Dach flicken, damit es nicht anfängt, zu gammeln?

Die Polizei und Justiz freut sich ihrerseits über jeden Anlass, ihren Machtapparat anzuschmeißen. Wie sehr sie Menschen für den Versuch, Leerstand nutzbar zu machen, bestrafen wollen, zeigte sich Anfang September dieses Jahres in Hausdurchsuchungen, deren Zweck die Durchsetzung der DNA-Entnahmen waren. Zum Glück haben sie nicht alle schnappen können. Es stellt sich die Frage: Ist so ein brutaler Eingriff in die Privatsphäre ernsthaft gerechtfertigt, wegen eines Delikts, den jedes Kind begeht, wenn der Ball im Nachbarsgarten landet?

Eindeutiger kann der Schaden, den privatrechtliches Eigentum der Gesellschaft zufügt, nicht werden. Wir als Menschen, die irgendwo ein Zimmer mieten müssen, haben quasi keine Mittel gegen einzelne Personen oder Unternehmen, wie Vonovia und Immovaria, die ganze Städte leer kaufen. Wir sind auf dem Wohnungsmarkt fast komplett entmachtet und ihrer Profitlogik wehrlos ausgeliefert. Obwohl es das angebliche Eigentum von Immovaria, DeutscheWohnen, Vonovia, Stadt und Co ist, sind wir die einzigen, die es wirklich benutzen, wenn wir darin leben. Die parlametarische Demokratie wird uns nicht helfen, selbst wenn wir es mal mit ihren Mitteln versuchen und wie in Berlin mit Volksentscheiden laut werden. Weil diese Form der Demokratie und ihre Parteianhänger*innen an den Kapitalismus, Profite und Eigentum glaubt, hat sie kein ernstes Interesse, uns zu unterstützen. Wir müssen unser Leben schon selbst in die Hand nehmen und aktiv werden.

Wir lassen die Betroffenen der Repression nicht alleine! Wir müssen Wege finden, wie wir trotz der staatlichen Gewalt etwas verändern können!

Lasst uns die Scheiße auf dem Wohnungsmarkt nicht mehr einfach hinnehmen, grade jetzt wo die Energiepreise unsere grundlegendste Existenz noch stärker bedrohen und die Mieten trotzdem weiter steigen!

Häuser besetzen, Wohnraum kollektivieren!

+++english version+++

Occupations create a special atmosphere. They allow us to open up spaces, where we can come together in autonomous, less ways. At their core, they are trying to resist the prevailing power structures. It offers an alternative perspective of living together and of organization. The Luwi also managed to do this. Throughout the time the house was squatted, the people in and around of Ludwigstraße 71 took a moment to dream. Apart from new ideas about how we want to life together and fulfill our actual needs rather than profits, plans how to make use of the space were written. For starters there was a kitchen for all and neighborly gatherings to get to know and care for eachother.

In the end is not only the more collective based ideas or the anticapitalist ways of living that occupations aim at, but it is also a means to raise awareness about accelerating gentrification processes in the area. This could also be observed during the occupation, which lasted almost two weeks. In the regional public and beyond, rents, housing and neighborhood culture were widely discussed around the time of the occupation. Demands to lower rents and to stop costly efforts to upgrade the neighborhood were voiced.

The neighborhood around Eisenbahnstrasse in particular has undergone rapid development in recent years. Where once there were numerous empty houses and wastelands there are now chic facades, beer gardens and fancy café culture which lead to expensive prices and rents. The controversy here is that the less polished condition that attracted so many just a few years ago was what made all the uncommercial spaces, the freely usable brownfields and the cheaply habitable but developable houses possible in the first place. Of these, however, there is almost nothing left. The E109 has been displaced by the Goldhorn, the brownfields has been privatized, the Japanese House is in danger and the Luwi71 has also been evicted. Before all these discussions about what was going on in the neighborhood and the ideas, impulses and dreams that emerged during the occupation could really florish, they were destroyed by the henchmen of the state.

The state thereby violently defends property. The places that are in the hands of property, if they can not be upgraded, usually just continue to rot until they finally collapse. Whether Udo Heng at the Luwi, the Immovaria at the Tiefe3 and the B34 or the Deutsche Bahn at the Black Triangle and in Stötteritz. Last year, in the Rosa-Luxemburg-Straße near the Eisi one could observe what happens with broken houses if they remain in private ownership. In this case, half of an empty apartment building collapsed, so that the tram could not run for days. The wailing, tattered interior wall of an old living room was in every newspaper and is representing the fact that ownership often equals destruction. It was pure luck that no one was hurt. Whether it’s a real estate company, private individuals or even the city – they all leave their properties empty and punish anyone who tries to use the spaces collectivly.

It is said that property is an untouchable. Ironically without all  occupations in the 90s in Leipzig’s Eisi neighborhood (e.g. in Mariannenstraße), the old buildings, which are Leipzig’s pride today and a convenient investment for some, would have crumbled long ago. Those who lived in the buildings were responsible for their preservation in the first place. So why criminalize people who rightly take advantage of vacancies and patch up the holes in the roof so that it doesn’t start to rot?

For their part, the police and courts are happy to have any occasion to fire up their apparatus of power. How much they want to punish people for trying to make space usable should be clear by now. The repression then culminated in house searches at the beginning of September this year, the purpose of which was to enforce the DNA extractions. Fortunately, they did not catch them all. The question arises: but what justifies such a brutal invasion of privacy. If it is all based on an offense that every child commits when the ball lands in the neighbor’s garden?

The social damage that private property inflicts on society cannot get any clearer than this. We, as people who have to rent a room somewhere, have virtually no means against agency over the property of individuals or companies, such as Vonovia and Immovaria, which buy up entire cities. We are almost completely disempowered in the housing market and defenselessly at the mercy of their profit orientated logic.

Although it is the alleged property of Immovaria, DeutscheWohnen, Vonovia, Stadt and Co, we are the only ones who really use it when we live in it. The parlametarian democracy will not help us, even if we try it once with their means and become loud like in Berlin with referendums (like Deutsche Wohnen enteignen). Because this form of democracy and its party supporters believe in capitalism, profits and property, it has no serious interest in supporting us. We have to take our lives into our own hands and become active.

We do not leave any comrade who is exposed to repression alone! We have to find ways to change things in spite of the state violence!

Let’s not just accept the shit on the housing market anymore, especially now when the energy prices threaten our most basic existence yet the rents are still rising!

Squad houses, organize collective spaces!