Wie alle Menschen, die am 12.6.2021 um 22:00 bei der Wurzner Straße waren, sehen konnten, haben die Cops die geplante Demonstration erfolgreich verhindert. Wir stehen zu der Entscheidung, zu einer Demo aufzurufen und finden es wichtig darüber zu reflektieren, warum der Tag nicht so gelaufen ist, wie wir uns ihn erhofft hatten. Wir sehen aber den Tag nicht als Niederlage. Es gab unserem Wissen nach keine Festnahmen. Die Nachrichten über die Aktionen und Demonstrationen die trotz des Bullenaufgebots passiert sind, haben uns sehr gefreut. Sie können uns nicht an jedem Ort und zu jeder Zeit aufhalten.
Zum Start die Frage, warum öffentlich zu einer Demonstration aufgerufen wurde:
Uns ist bewusst, dass die damaligen Corona-Regeln Demonstrationen verboten haben bzw. stark einschränkten (Wir finden solch eine Demo mit Masken und draußen hygienetechnisch verantwortbar). Es gab diesen Winter verschiedene Versuche damit umzugehen und Demonstrationen trotzdem zu ermöglichen. Versuche zu laufen nach angemeldeten Kundgebungen endeten in Polizeigewalt und Repression, Versuche nicht öffentlich zu mobilisieren haben kraftvolle Spontis ermöglicht, die aber der Reichweite an Menschen, denen wir die Möglichkeit zur Teilnahme geben wollen, eine klare Grenze aufzwingt. Unser Ziel im Vorhinein war es, durch die Größe der Demo das Laufen erzwingen zu können. Vor Ort waren tatsächlich zu wenig Menschen, um das so umzusetzen. Letztes Jahr waren auf Demos nach Räumungen über 500 Menschen. Warum diesmal nur 200 kamen hat sicherlich mehrere Faktoren. Der lange Tag der Besetzung und Räumung lag den Menschen in den Knochen. Zudem gab es eine große wichtige Demo in Connewitz am Nachmittag bzw. ein danach stattfindendes Straßenfest. Als wir sahen, dass wir nur einige hundert Menschen werden, haben wir versucht das Kräfteverhältnis durch einen dynamischen Start auszugleichen. Dabei hatten wir tatsächlich bestimmte Aufstellungen der Cops (die über „sie stehen in jeder Straße mit 20 Wannen“ hinaus gingen) nicht im Blick. Vermutlich war einfach jeder Weg durch die Cops abgeriegelt. Im Nachhinein wäre ein Aufzug mit so wenig Menschen wahrscheinlich eher ins offene Messer gelaufen. Wir haben uns dann entschieden, das ganze nach 20 Metern abzubrechen. Die Cops haben das Transpi, sowie die Böller und paar Flaschen die wir gehört haben sicherlich auch wahrgenommen und fühlen sich hoffentlich gehasst. Hier gab es dann Möglichkeiten auf dezentrale Aktionen, was anscheinend auch passiert ist. Wir haben in der Presse von mindestens 3 Sachen gehört.
Warum der Ort?
Wir sehen den Startpunkt immernoch als richtig an. Es gab viele dunkle Ecken, aber trotzdem war es offen genug, um nicht gekesselt werden zu können. Die Cops haben keine Erfahrung in dem Viertel. Das hat man daran gesehen, wie viele teils chaotisch angeordnete Wannen abstellt waren, was weniger nach Plan als nach Einschüchterungsversuch aussah. Wir halten es für wichtig das solche Tag-X Demos auch durch die Viertel laufen, die eine Verbindung zur geräumten Besetzung haben. Über die Demo in Connewitz haben wir uns trotzdem gefreut. Hier wurde genutzt, dass die Bullen andere Gebiete im Fokus hatten.
Es kam dazu dass Einzelpersonen anfingen selbst zu Treffpunkten aufzurufen und diese auf der Demo weiterzusagen. An sich ist es toll, dass Menschen Eigeninitiative entwickeln. Wir würden uns aber in Zukunft darüber freuen, wenn dies uns oder anderen vorbereiteten Gruppen überlassen wird. Solch hektisches, unsensibles organisieren von Leuten sorgt nur dafür, dass die Cops das mitkriegen und Menschen beim nächsten Treffpunkt wieder in einen Kessel laufen. Solche unüberlegten Ansagen ohne konkreten Plan dahinter machen Vorbereitung anderer kaputt. Wir sind bemüht dass wir diese beim nächsten Mal klarer kommunizieren.
Dazu noch was an Jornalist_innen:
Wir finden es gut wenn fair von öffentlichen Aktionen berichtet wird. Das Veröffentlichen von geheimen Treffpunkten und das Filmen sowie Fotografieren von Menschen geht jedoch gar nicht und spielt in erster Line den Repressionsbehörden in die Hände. Demoteilnehmer*innen werden dadurch gefährdet und Aktionen verunmöglicht. Das ist unprofessionelles Arbeiten und lässt Vertrauen erlöschen.
Warum dieser Text?
Wir finden es wichtig unsere Reflektionsprozesse und Entscheidungsfindung transparent zu machen. Einerseits werden Dinge, die nicht klappten dadurch einfacher zu bewerten und Entscheidungen die unlogisch wirkten, haben vielleicht doch Gründe. Es ist wichtig Demonstrationen und andere kollektive Momente auszuwerten. Die Polizei macht dies eh schon und wir können als Bewegung dazu lernen. Wir haben Lust, auch weiterhin uns die Straße zu nehmen und unsere Wut über Räumungen, den Wohnungsmarkt und das kapitalistische System zu äußern. Wir wollen bestärkt aus unseren kollektiven Aktionen rausgehen und nicht Ohnmacht spüren. Dafür ist es wichtig, dass wir miteinander darüber reden, warum Sachen liefen wie sie liefen und wie wir sie nächstes Mal besser machen können. Unsere Mail ist für (verschlüsselte) Kritik offen.
Wir freuen uns schon aufs nächste Mal, wenn wir uns während des Sommers der Besetzungen die Häuser und die Straße nehmen!